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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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Sandsteinfindlinge ersetzt. Manche Leute meinen, es sei eine Warnung vor prähistorischem Atommüll, aber warum soll es nicht genauso gut eine heilige oder göttliche Stätte sein …?»
    «Erasmus?», unterbrach Diana ihn sanft.
    «Ja?»
    «Ich will das nicht wissen. Ich will gar nichts mehr wissen. Ich begreife nicht, was mit der Welt passiert ist, und ich will es auch gar nicht begreifen. Sag einfach, wohin ich fahren soll.»
    «Stonehenge.»
    «Querfeldein?»
    «Ach so …»
    Beide betrachteten das interessante Display in der Konsole. Es glotzte stumpf und matt zurück.
    «Irgendwo da drin ist garantiert ein Navi», sagte Diana.
    «Garantiert», sagte Erasmus und kramte bereite im Handschuhfach.
    «Ein Navi, das wir garantiert verstehen.»
    «Garantiert, sofern wir uns ein paar Wochen Zeit nehmen», sagte Erasmus, der fündig geworden war und eine leicht angefledderte Karte in den Händen hielt. Offenbar waren sie nicht die ersten altmodischen Mieter des Rover. Erasmus faltete die Karte auf und studierte sie.
    Diana wartete einige Sekunden, dann sah sie ebenfalls auf die Karte und drehte sie richtig herum.
    «Danke», brummte etwas zwischen den Zotteln. «Wir … müssen auf die alte Römerstraße, in Richtung Basingstoke und von dort aus über Andover nach Amesbury.»
    Diana legte den ersten Gang ein und setzte den Rover in Bewegung. Erasmus massierte seine Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger, während er weiter angestrengt die bunten Linien und Kreise auf der Karte anstarrte.
    «Nein», brummte er, «du solltest erst bei … Popham von der Römerdings runter und auf die A  303 fahren … na, egal, das sehen wir ja, wenn wir da sind.» Er faltete die Karte zusammen, verstaute sie unordentlich wieder im Handschuhfach, sah zufrieden nach vorn und stieß unvermittelt einen kurzen, erschrockenen Schrei aus. Diana zuckte zusammen.
    «Was ist denn jetzt, Herrgott noch mal?»
    «Pass doch auf!»
    «Wie bitte?»
    «Du fährst auf der falschen Seite!»
    «Äh … mein lieber Schatz, wir sind in England. Ich weiß zwar nicht, weshalb wir in England sind, weil wir nach menschlichem Ermessen eigentlich in Griechenland sein müssten, aber wir sind nun mal in England. Und in England fährt man auf der falschen Straßenseite.»
    «Verzeihung», murmelte Erasmus, hörbar erleichtert. Seine Fahrerin beglückwünschte sich still und heimlich zu dem Entschluss, den kleinen Zauskopf nicht ans Steuer gelassen zu haben.
    Kurz hinter Basingstoke fuhren sie auf einen Rastplatz am Rande der Straße, um gemeinsam die Karte zu studieren und sich nicht dank Erasmus’ Talent im Umgang mit den sperrigen Faltblättern urplötzlich am Ärmelkanal wiederzufinden. Diana goss sich einen Kaffee aus der mitgebrachten Thermoskanne in einen Pappbecher, kletterte aus dem Wagen, machte einige Schritte, streckte sich und blinzelte.
    Sie blinzelte noch einmal und rieb sich dann erstaunt die Augen.
    Auch das nützte nichts.
    Die Erscheinung war noch immer da.
    Sie wandte sich vorsichtig nach dem Wagen um und flüsterte: «Erasmus.»
    «Ja?»
    «Kannst du bitte mal eben herkommen?»
    «Sofort. Ich hab hier gerade was Hochinteressantes über Stonehenge gefunden.» Das Umblättern mehrerer Seiten drang durch die Stille. «Mmmh. Wusstest du eigentlich, dass die gesamte Ebene als Gefahrenzone ausgewiesen ist?»
    «Erasmus, bitte», sagte Diana eindringlich.
    Sie hörte das Buch leise zuklappen. Dann kam Erasmus um den Wagen herum, lächelte sie neugierig an, bemerkte die Gestalt und kam nach kurzem, fast unmerklichem Stutzen sehr behutsam näher. Mit gerunzelter Stirn blieb er neben Diana stehen und starrte den behelmten Hünen an, der, auf einen gigantischen Hammer gestützt, ungefähr zehn Meter vor ihnen in den Parkplatzhimmel ragte.
    «Thor?», sagte Erasmus überrascht, aber ziemlich laut.
    Der Angesprochene verzog irritiert die Augenbrauen. In seinen Augen war es nicht besonders komisch, Sterbliche zu zerschmettern, die keine Angst vor ihm hatten.
    «Thor?», wiederholte Erasmus und ging auf den Riesen zu. Diana ließ den Kaffeebecher auf den Asphalt klappern, schluckte vernehmlich und hielt den Atem an.
    Der kleine Mann mit den krausen Haaren blieb vor dem breiten Riesen stehen, klemmte sich die linke Hand unter den rechten Oberarm und fasste sich mit der Rechten an die Nase.
    «Lass mich raten», sagte er. «Ihr seid für die Äpfel zuständig. Und zwar, weil … weil ihr Äpfel für etwas Besonderes haltet und, äh, wie heißt sie

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