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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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Sohn», sagte Odin, unhörbar für die Ohren des sterblichen Diktators.
    «Wieso denn das?», fragte Thor.
    «Hugin hat uns belogen.»
    «So ein Mistvieh. Die Krähe mach ich platt, sobald ich nach Hause komme …»
    «Erst mal kümmerst du dich bitte um die Sterblichen.»
    «Ja, Vater.»
    «Du beginnst mit Erasmus Weinberger und seiner Begleiterin. Begib dich nach London, England, ins Jahr 2012 christlicher Zeitrechnung. Und halte dich ein bisschen ran, ich fürchte, die Griechin will sie durch das Steintor führen.»
    «Schon so gut wie erledigt, Vater», sagte Thor, schulterte seinen Hammer und spürte, dass sich Odins unwirkliches Astralkabel schlagartig in Luft auflöste. Thor konzentrierte sich auf den Sprung nach London. Er bemerkte den zitternden Mann, der sich in den Vorhang krallte.
    «Oh», sagte er und deutete vage auf den Krater, «tut mir leid, äh … wegen dem Dings, dem Schreibtisch. Nichts für ungut.»
    «Harrgll», nickte Stalin.
    «Fein. Tut mir leid, dass ich nicht bleiben kann, aber ich muss sehen, dass ich nach London komme. Schönen Tag weiterhin.»
    Ein Vakuum tat sich auf, und der Mann mit dem Riesenhammer verschwand mit einem leisen Fauchen in Raum und Zeit.
    Josef Stalin wankte zitternd zu seinem Sessel zurück und ließ sich hineinfallen wie ein nasser Mehlsack. Tief in seinem tyrannischen Hirn nahm die Erkenntnis Gestalt an, dass dies, dieses Fleisch gewordene, hirnlose Wesen aus den Fieberträumen eines Schwachsinnigen, ein Zeichen war. Ein Zeichen übernatürlicher Mächte. Eine eindringliche Warnung, den eingeschlagenen Weg zu verlassen und ein anderes Leben zu beginnen. Keine Menschen mehr zu töten und niemanden mehr zu unterdrücken, jedenfalls niemanden, der nicht zur eigenen Familie gehörte.
    Josef Stalin packte seine persönlichen Sachen, setzte den Außenminister von seinem Entschluss in Kenntnis, die Politik ein für alle Mal aufzugeben, und bereitete seinen Umzug auf ein großzügiges Anwesen nahe Leningrad vor.
    Was unter anderem zur Folge hatte, dass die innereuropäischen Grenzen der Nachkriegszeit urplötzlich begannen, wie besoffene Klapperschlangen durch die Landschaft zu tanzen, und die ohnehin schon völlig überlasteten Psychiater aller Herren Länder ohne jede Vorwarnung von Heerscharen geistesgestörter Zöllner überrollt wurden.

4
    Kurz vor der überraschenden Landung des Lufthansa-Fluges 314 nach Athen auf dem Londoner Flughafen Heathrow war Erasmus von einer weiblichen Stimme am Verfolgen mehrerer komplizierter Gedankengänge gehindert worden. Er hatte Diana angesehen, festgestellt, dass sie, die Hände im Schoß gefaltet, ungläubig aus dem Fenster der Maschine sah, anschließend um sich geblickt, keine Stewardess entdeckt, und die Stimme erneut vernommen. Zuerst hatte es eindringlich
Ich muss, Ich muss, Stonehenge
, durch seinen Kopf geklungen, und dann, zorniger,
Das kriegt die dumme Sau wieder
, bevor die Stimme, Unverständliches murmelnd, langsam verklungen war. Erst als die Maschine ihre Parkposition erreicht und Diana völlig fassungslos «Wir sind in London» gestammelt hatte, war Erasmus wieder unter die Bewussten zurückgekehrt.
     
    Dianas schmale Hände umschlossen das Lenkrad des gemieteten Range Rover. Sie sah ihren Begleiter an und pustete sich hörbar eine Haarsträhne von der Stirn.
    «Und was machen wir jetzt?»
    «Wir fahren nach Stonehenge.»
    «Aha. Und wieso?»
    «Weil mir eine Stimme gesagt hat, dass das unser Ziel ist.»
    Diana nickte und lächelte fröhlich. «Oh. Gut. Eine Stimme. Die Stimme eines … Gottes?»
    «Nein.» Erasmus schüttelte den Kopf. «Einer Göttin.»
    «Na, dann …»
    Erasmus sah sie an und bemerkte trotz der vielen wirren Gedanken in seinem Kopf, dass sie nicht ganz gesund aussah. Oder wenigstens unangemessen fröhlich.
    «Findest du das so abwegig, Diana?», fragte er ernst. «Ich meine, Stonehenge
hat
irgendeine Bedeutung, das dürfte doch wohl feststehen. Und alle bisherigen Erklärungen für die Existenz dieses Steinkreises sind nicht besonders überzeugend …»
    Diana grinste unbeeindruckt weiter.
    «Es ist nach wie vor unklar», fuhr Erasmus fort, «wie die Steine – vermutlich von Irland aus – in die Ebene von Salisbury gekommen sind. Der Graben, der Erdwall, der Fersenstein und die Aubrey Holes», zählte er an den Fingern auf, «stammen aus der späten Jungsteinzeit, der Doppelkreis aus Blausteinen stammt aus der Bronzezeit und wurde ungefähr vierzehnhundert vor Christi Geburt durch

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