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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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wandte sich ihr zu. »Frau Hüffart, bitte, wir …«
    »Sie möchten meine Unterstützung, und es geht um meinen Mann. Wenn ich nicht jetzt und sofort aufgeklärt werde, was hier wirklich los ist, dann rufe ich die Polizei. Denn auf die Idee scheint ja noch niemand gekommen zu sein.«
    Im Vergleich zu gestern schien Urbich heute einen ganzen Gang runtergeschaltet zu haben, seine Selbstsicherheit stand auf deutlich wackelnden Beinen. »Liebe Silvie, mach keinen Aufstand, bitte! Genau das ist es doch, was die Entführer bezwecken. Sie wollen, dass wir in aller Öffentlichkeit ein Schuldeingeständnis ablegen für eine Sache, die wir nicht zu verantworten haben und die zudem längst vergessen ist.«
    »Es geht doch nur um Geld, oder nicht? Drei Millionen?«
    »Ja, aber entscheidend ist, dass wir die Übergabe in aller Öffentlichkeit stattfinden lassen sollen.« Urbich schaute dermaßen waidwund drein, als müsse er die Scheine selbst aufessen.
    »Die Entführer verlangen, dass wir vor großem Publikum behaupten, damals angeblich drei Millionen Schmiergelder kassiert zu haben. Du weißt schon, damit AlumInTerra die Kreuma-Werke samt Patenten kaufen kann.«
    »Soweit Karl mir Einblick gewährt hat, entspricht das auch den Tatsachen.«
    Mit einem Ruck stand er auf. »Du verstehst nicht, Silvie. Diese ganze Aktion soll über die Bühne gehen, während sämtliche Teilnehmer des EU-Symposiums zusehen. Der Besuch des Goðafoss steht nämlich morgen auf dem Programm.« Er beugte sich über die gläserne Fläche und näherte sich bedrohlich. »Das ist der feinen Frau Hüffart vielleicht egal. Doch eines musst du bedenken: Wenn dann diese alte Geschichte erst wieder hochgekocht ist, werden sich die Medien ganz gewiss auch an all die anderen schlimmen Dinge erinnern …«
    »Du meinst die Sache mit Jan?« Jetzt verstand Silvie dieLage, und ihr wurde mehr als unwohl. Urbich hatte recht, natürlich, genau das würde passieren. Die Pressemeute würde über die längst vergessene Treuhand-Affäre wieder auf Jans Entführung stoßen, auf seinen Tod, auf die Verhaftung seines Mörders, der auch noch unlängst entlassen worden war. Sie würden Götze um Interviews bitten, und er hätte wieder Gelegenheit, seine Unschuld zu beteuern, was wiederum ihre Neugierde schüren würde. Bis sie irgendwann mit ihren Kameras und Mikrofonen bei ihnen zu Hause vor der Tür standen.
    Mein Gott! War morgen tatsächlich der Tag, an dem ihr bisheriges Leben zu Ende ging?
    [16. Juni, 23.31 Uhr, am Ufer des Stausees, þrihyrningsvat ,
    Island]
    Manchmal fühlt man sich einsam. Aber selten ist man wirklich richtig allein.
    So allein, dass man die Abwesenheit der anderen körperlich zu spüren beginnt. Dann dehnt sich jeder Quadratzentimeter der Haut und macht die Leere noch größer.
    Noch nie hatte Wencke sich so allein gefühlt wie in dem Moment, als ihr dämmerte: Die kommen nicht wieder! Weder Jarle noch Lena noch sonst irgendwer. Das kann ich mir abschminken.
    Denn eins war klar: Dieser seltsame Plan, von dem Wencke noch immer keine genaue Vorstellung hatte, sollte in die Tat umgesetzt werden, und sie stand dabei im Weg. Wencke würde nie zulassen, dass aufgrund dieser zweifelhaften Notizen Vergeltung geübt wurde. Es wäre keine ausgleichende Gerechtigkeit, sondern immer nur ein weiteres Verbrechen. Das war Wenckes Sicht der Dinge, und damit war sie ein Hindernis. Doch es gab definitiv keinen Ort, an dem eine LKA-Nervensäge besser versauernkönnte, als diese vergessene Hütte im Hochland, die gerade von einer dunkelgrauen Aschewolke eingehüllt wurde.
    Das Handy lag in Trümmern, ein Festnetzgerät gab es genauso wenig wie Radio- oder Fernsehempfang und das nächste Haus war nach Jarles Auskunft ziemlich weit entfernt – wobei er vergessen hatte zu erwähnen, in welcher Richtung es ziemlich weit entfernt lag, was den Radius, in dem man nach Zivilisation zu suchen hätte, enorm ausweitete. Inzwischen erschien Wencke der Feuer speiende Vulkan, der nur noch als glühender Umriss im Dunkel der Wolke zu erkennen war, schon wie ein alter, wenn auch unliebsamer Vertrauter. Doch dank des Herðubreið gab es wenigstens noch etwas außer Wencke und den drei hinter dem Haus grasenden Islandpferden, das in Bewegung war. Sonst hätte man beinahe glauben können, die Weltenuhr wäre bereits abgelaufen und sie hätte es als Einzige verpasst: Der See ruhte still und glatt in seinem Becken, die Vögel hatten sich wahrscheinlich in Sicherheit gebracht, bevor die

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