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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Wildnis fahren. Dass die junge Frau dann aber plötzlich eine Waffe aus ihrer Handtasche zog, machte die Sache nicht besser. Eine kleine schwarze Pistole zwischen zitternden Fingern, die Mündung zeigte auf Hüffarts Schläfen. »Steigen wir ein!«
    »Woher hast du das Ding, Lena?«, brachte Wencke hervor.
    »Jarle hat es mir eingepackt. Für den Notfall!«
    »Welchen Notfall?« Wencke versuchte, sich Lena behutsam zu nähern, sämtliche Deeskalationsmanöver ihrer beruflichen Laufbahn im Hinterkopf, doch sofort wurde der Griff um das schwarze Metall fester und der Zeigefinger legte sich auf den Abzug.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind!« Lena kniff ein Auge zu und zielte auf Hüffart. Es sah nicht professionell aus, man merkte sofort, dass diese Frau noch nie einen einzigen Schuss abgegeben hatte. Doch das war überhaupt kein Grund zur Entwarnung, es gab genügend Fälle, in denen schon die allererste Kugel tödlich getroffen hatte. »Jarle hat von Anfang an gewusst, dass Sie Ärger machen würden, Frau Tydmers. Er hat es mir prophezeit! Ichhätte auf ihn hören sollen. Dieser Mann ist einfach schlauer als wir alle zusammen.«
    Der letzte Satz klang wie ein Echo in Wencke nach. Dieser Mann ist einfach schlauer als wir alle zusammen. Damit hatte sie recht, eindeutig. Hatte er die Briefe geschrieben? Jarle Yngvisson war vermutlich der Einzige, dem ein solch perfides Vorgehen zuzutrauen war.
    »Er wollte Sie hier nicht haben, Frau Tydmers. Absolut nicht! Er hat gesagt, Sie würden versuchen, unseren Plan zu vereiteln. Als hätte er vorausgesehen, wie Sie sich hier aufführen.«
    »Trotzdem bin ich nach Island gekommen. Und dafür wurden sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt, stimmt’s? Für einen Ingenieur wie Jarle ist es keine große Sache, einen Hausbrand zu verursachen, damit statt meiner Vorgesetzten ich in den Flieger steige.« Die Gedanken hatten sich erst während des Sprechens geformt, und Wencke war fassungslos. Darauf hätte sie schon viel eher kommen können. Ein Mensch wie Jarle war in der Lage, Ursache und Wirkung zu berechnen. Das galt für physikalische Vorgänge genauso wie für die psychologischen Effekte, die gefälschte Briefe und uralte Fotografien nach sich ziehen konnten. »Warum hat er einen solchen Aufwand betrieben, wenn er mich eigentlich gar nicht hier haben wollte?«
    »Ich hatte darauf bestanden. Es war meine Bedingung dafür, dass ich bei diesem Plan mitmache.« Lena packte Hüffart unter die Arme und zwang ihn, sich aufzurichten. Er wehrte sich schwach. Ob er überhaupt verstand, was hier passierte? Sein verwirrter Zustand sorgte immerhin dafür, dass er keinerlei Furcht zu verspüren schien  – zum Glück, Ruhe zu bewahren war bestimmt die beste Strategie, wenn man eine Waffe auf sich gerichtet wusste.
    »Und warum lag dir so viel daran, mir hier zu begegnen? Lena, verrat es mir, ich bin nicht in der Lage, deiner Logik zu folgen!«
    Lena lachte. »Wencke Tydmers, die tolle Profilerin, muss kapitulieren. So viel zu Ihren bestechenden logischen Fähigkeiten!« Sie half Hüffart die Stufen hinab, setzte ihn in das kleine Auto und schnallte ihn sogar pflichtbewusst an. Wie eine Pflegerin, nur dass sie ihrem Patienten eine Knarre an den Kopf hielt. Wahrscheinlich würde sie niemals abdrücken, nein, dazu fehlte ihr dann doch die nötige Portion Kaltblütigkeit. Auch das hatte sie mit ihrem Vater gemeinsam. »Ich wollte, dass Sie hierherkommen, weil Sie ein Teil der Geschichte sind, Frau Tydmers. Meine Mutter fühlte sich von Ihnen allein gelassen. Ihre einzige Freundin hat sie im Stich gelassen. Wenn Sie ihr nur einmal zugehört, ihr geglaubt und geholfen hätten, dann wäre meine Mutter noch am Leben, da bin ich mir sicher.« Jetzt, als Hüffart im Twingo verstaut war, hatte die Pistole kurzfristig ihr Ziel verloren und hing für einen Moment schlapp in Lenas Hand, bevor sie auf Götze gerichtet wurde.
    »Du steigerst dich da in etwas rein, Lena!« Es schien, als hätte er eben erst seine Stimme wiedergefunden – seit der Verwandlung seiner Tochter in eine Furie hatte er sie nur fassungslos angestarrt.
    »Lass uns fahren!«
    »Hör jetzt auf mit dem Scheiß! Mach doch nicht denselben verdammten Fehler wie ich!«
    »Es geht nicht um mich, Frankie, sondern um ganz andere Werte.«
    »Das war bei mir genauso. Gebracht hat es mir nichts außer zwanzig Jahren Knast!«
    »Steig endlich ein!« Der Lauf der Pistole wies ihm entschieden den Weg.
    [16. Juni, 17.32 Uhr, Gästehaus AlumInTerra ,

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