Götterfall
und Komma zu erzählen. Wie enttäuscht sie gewesen war, weil sich in den offiziellen Unterlagen der Adoptionsbehörde nicht mehr befunden hatte als der Name ihrer Mutter, Geburtstag und -ort und das besagte unscharfe Foto. Einen wenigstens klitzekleinen Hinweis auf ihren leiblichen Vater hatte sie jedoch vergeblich gesucht. »Da stand nur ein einziges, frustrierendes Wort: unbekannt.«
»Aber Doros Eltern wussten ganz genau, dass ich mit ihrer Tochter zusammen war. Ich war denen anscheinend nicht gut genug, sie haben mich ja noch nicht einmal informiert, dass Doro …«
Sie legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen. »Nicht dazwischenquatschen!« Da hielt er natürlich die Klappe.
»Aber dann, zwei Wochen nach meinem Besuch beim Jugendamt, bekam ich einen Anruf. Die Sachbearbeiterin, die eigentlich für meinen Fall zuständig gewesen war, hatte bei meinem ersten Besuch Urlaub gehabt. Sie wusste als Einzige, dass da noch ein weiterer Umschlag für mich abgegeben worden war, der wohl so groß war, dass er nicht in den Aktenordner gepasst und deswegen danebengestanden hatte.«
»Was war in dem Umschlag?«
»Handschriftliche Notizen meiner Mutter.«
Jetzt wurde Frankie einiges klar: Es musste sich um die Papiere handeln, von denen Wencke gesprochen hatte. Diese Notizen von Doro. Dann gab es diese Schriftstücke also tatsächlich! Er hatte es sich bis zu diesem Moment nicht wirklich vorstellen können. »Wer hat sie dir geschickt? Waren das auch deine Großeltern?«
»Wohl kaum. Der Umschlag ist auch erst viel später, im Herbst 2010, als anonymes Päckchen verschickt worden, nur mit dem Vermerk versehen, es mir mit den Adoptionspapieren auszuhändigen, sollte ich irgendwann einmal dort auftauchen. Die Sachbearbeiterin meinte, dass das ab und zu mal vorkommt, meist sind es wohl die leiblichen Eltern, die sich nach einigen Jahren überlegen, dass sie ihrem abgeschobenen Nachwuchs doch ein bisschen mehr hinterlassen wollen als bloß einen Namen und ein verblasstes Foto.«
»Und durch diese Notizen bist du auf mich gekommen …«
»Genau. Ich war so froh, denn ich hatte den Namen Dorothee Mahlmann schon in diverse Suchmaschinen eingegeben, aber nichts gefunden. Und dann liegen da diese Seiten vor mir, die echte Tinte, das echte Papier, das alles hat meine Mutter in der Hand gehalten, als sie mit mir schwanger gewesen ist. Ich war einfach nur unglaublich glücklich.«
Frankie schluckte.
»Sie hat von dir geschrieben, Frankie, von eurer Beziehung, von ihrer Angst um dich und ihrem Glauben an deine Unschuld. Sie hat nicht einen Moment an dir gezweifelt und alles Menschenmögliche getan, dir da rauszuhelfen.«
So etwas in der Art hatte Wencke auch schon erzählt, aber da war er misstrauisch gewesen. Denn er war Realist genug, um zu wissen, dass die Beziehung damals nur etwas mehr als eine Bettgeschichte gewesen war. Nichts, wofür man den Kopf hinhielt. Hatte er sich so in Doro getäuscht? Wenn das so war, mein Gott, wenn das wirklich so gewesen war, echte Liebe … Auf seinen Armen kribbelte es.
»Aus den Aufzeichnungen meiner Mutter geht hervor, dass Karl Hüffart wohl tatsächlich unschuldig gewesen ist. Er war bereit, deine Forderungen zu erfüllen, ist aber lange nicht so mächtig gewesen, wie man hätte meinen sollen. Doro hat vermutet, dass eventuell Alf Urbich entgegen dem Plan gehandelt und den kleinen Jan …« Sie zögerte. »Nun ja, er muss dafür gesorgt haben, dass Jan nicht mehr lebendig nach Hause zurückgekehrt ist.«
»Warum sollte er das getan haben?«
Frankie schaute sich Hüffart aus der Entfernung an. Er hielt inzwischen das zweite Sandwich in der Hand und sah harmloser aus als ein Goldhamster. Und genau das hatte ihn in den letzten Stunden und Tagen so oft zur Weißglut getrieben, dass dieser Mann so freundlich gucken konnte, nach allem, was passiert war. Sollte die Geschichte stimmen, die Lena gerade erzählte, lag die Sache natürlich anders. Das würde bedeuten, dass er seine Rachegelüste völlig neu sortieren müsste. Wenn Hüffart gar nicht Täter, sondern womöglich genauso ein Opfer war wie er selbst …
»Und was genau habt ihr jetzt vor?«, brachte Frankie etwas heiser hervor. Und als Lena wieder so zögerlich tat, räusperte er sich und wurde deutlicher: »Du kannst mir hier nicht so eineGeschichte auftischen und dann schweigen, verdammt noch mal!«
»Wenn du immer gleich ausrastest, habe ich keine Lust, mit dir zu reden. Immerhin bist du Wencke Tydmers im Flugzeug an die Gurgel
Weitere Kostenlose Bücher