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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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wie Axel es ihr damals immer beibringen wollte. Sie musste zugeben, die Sache hatte was, immerhin war sie schon mal schön bunt, und auch sonst kam so etwas wie ein Bild zustande.
    Gelb waren alle Informationen über AlumInTerra , über diese komische Energieformel, den Verkauf der Kreuma-Werke durch die Treuhand und die verständlichen Proteste dagegen. Zusammengetragen ergab das eine recht schlüssige Geschichte: Das marode Werk hatte zu DDR-Zeiten eine vielversprechende Formel entwickelt, in erster Linie war dies wohl dem Forschereifer eines dort beschäftigten isländischen Mitarbeiters zu verdanken, nämlich Jarle Yngvisson. Mit dem dubiosen Verkauf an den amerikanischen Großkonzern wechselte auch die Formel ihren Besitzer, dafür sollten Schmiergelder an Hüffart und seine Leute geflossen sein.
    Und an dieser Stelle verknüpfte sich das Ganze mit den Geschehnissen, für die Wencke eine rote Markierung gewählt hatte: die Entführung und Ermordung des kleinen Jan. Da hatte Doro von ihrem frühen Verdacht gegen Götze berichtet, von einer zweiten Mietwohnung, der Schreibmaschine und der überfallartigen Festnahme in der Nacht des Leichenfundes. Alles Dinge, die sich auch auf Wikipedia oder in anderen Internetarchiven finden ließen, Allgemeinwissen sozusagen. Und Götze hatte schließlich nie geleugnet, den Jungen entführt zu haben. Er selbst hatte Wencke am Gletschersee genau beschrieben, wie es sich für ihn angefühlt hatte, Jan gefesselt im Wald zurückzulassen. Doch der Mord ging nicht auf Götzes Konto, zu diesem Schluss war Doro gekommen.
    Stimmte also Doros Vermutung, dass Hüffart selbst  – oder doch vielmehr sein damaliger Berater Alf Urbich – den Jungen umgebracht hatte? Wencke versuchte, sich an diese These zu gewöhnen, musste aber immer wieder kapitulieren. Denn eineSache passte ganz und gar nicht zu dieser Variante: Die Art, wie die Leiche in Szene gesetzt worden war, dieses Boot auf dem See, beinhaltete eindeutig zu viel Theatralik für einen Mord, bei dem es um Geld und die Vertuschung eines Skandals ging. Die Person, die dafür gesorgt hatte, dass Jan auf der Seeoberfläche schwimmend aufgefunden wurde, diese Person hatte ihren Grund dafür, so zu handeln. Nichts geschah einfach so nebenbei, sondern alles, jede unscheinbare Kleinigkeit, hatte ihren Sinn. Enthielt eine Botschaft, die dem Täter selbst vielleicht nicht einmal bewusst gewesen war.
    Wencke hatte nur noch zwei weitere Farben zur Verfügung und wählte Grün für alle Menschen, denen Doro in den letzten Tagen begegnet war und denen sie vertraut hatte. Das waren erstaunlich wenige: eine Polizistin, ein anonymer Informant, die betrunkene Gisela Hüffart und Jarle Yngvisson. Der blau markierte Kreis derer, denen sie Misstrauen entgegengebracht hatte, war deutlich stärker besetzt. Es wimmelte nur so von unehrlichen, brutalen, feigen oder bedrohlichen Gestalten. Hatte Doro ihre Umwelt wirklich so wahrgenommen? Als einen Haufen Ignoranten und Verräter? Und wo sollte Wencke sich selbst einsortieren – bei den grünen Freunden oder blauen Feinden?
    Die Briefe waren inzwischen farbenfroher als ein Zirkusplakat. Nach stundenlangem Hin- und Herschieben der Blätter ergab sich so etwas wie die Bestätigung eines eher diffusen Bauchgefühls: Hier lagen viele, viele Worte und bildeten eine Geschichte, die  – nüchtern und ohne persönliche Einfärbung betrachtet – in sich nicht wirklich schlüssig war. Doch wo genau war der Fehler versteckt?
    Das Hupen eines Autos vor der Hütte riss Wencke aus ihren Gedanken. Meine Güte, es war, als hätte sie zu viel getrunken oder etwas geraucht, sie stand völlig neben sich. Irgendwo hatte Wencke mal gelesen, dass ein konzentriert arbeitendes Gehirn zehn Mal mehr Energie benötigt als alle anderen Organe. Dementsprechendhätte sie eigentlich soeben verhungert sein müssen.
    Sie schob alle Briefe zusammen, steckte sie in den Umschlag, ging die Treppe hinunter und trat auf die Veranda. Hut ab, wer sich mit einem solchen Kleinwagen hierher ins Hochland traute, musste wirklich gute Nerven haben. Die Scheiben waren fast blind vom Staub, der sich darauf verteilt hatte, und dass der Twingo eigentlich türkis war, ließ sich auch nur erahnen. Lena Jacobi war gerade ausgestiegen und nun dabei, ihrem Beifahrer aus dem Zweitürer zu helfen. Wencke glaubte schon, ihr Sehvermögen ließe sie im Stich, denn dass Lena tatsächlich Karl Hüffart über die Schotterpisten Islands kutschiert hatte, schien

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