Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
fühlte er sich einfach nicht gewachsen.
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K el und Nitis schliefen Arm in Arm, Nordwind hielt vor dem Haus Wache, und Bebon ging unruhig auf und ab. Sie waren getrennt zu ihrer Wohnung zurückgegangen und keiner Wache in die Hände gefallen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, dachte sich Bebon. Bald würde Richter Gem sie kriegen. Und sein Helfershelfer, der Haushofmeister, würde die Gottesdienerin bestimmt nicht warnen.
Was das bedeutete: das völlige Scheitern, Gefängnis und Tod. Die Thebaner machten wegen ihnen sicher kein Aufhebens, und so könnte dieser verbissene Richter endlich seinen Sieg feiern.
Da kratzte es an der Tür.
Der Schauspieler bewaffnete sich mit dem Fleischermesser und ging vorsichtig zur Tür.
Es kratzte wieder.
Warum hatte sich Nordwind nicht gemeldet? Entweder hatte man den Esel außer Gefecht gesetzt, oder der Besucher war kein Feind.
Bebon öffnete die Tür einen Spalt breit.
Im Mondschein konnte er das ängstliche Gesicht des Mannes erkennen, der an der neuen Ausgabe des Totenbuchs arbeitete.
»Seid Ihr allein?«
»Natürlich! Ich hätte Euch beinahe nicht gefunden. Lasst mich rein.«
Misstrauisch durchsuchte Bebon den Besucher und wagte sich vor die Tür. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, und Nordwind schlief.
Nitis und Kel waren aufgewacht.
»Habt Ihr den Haushofmeister gesprochen?«, fragte der Schreiber.
»Ich habe ihm die verschlüsselte Schrift gezeigt, die er auch nicht lesen kann. Er wird den Papyrus aber so bald wie möglich der Gottesdienerin bringen.«
»Trifft er sie denn nicht jeden Tag?«, fragte Nitis erstaunt.
Der Besucher zögerte.
»Um Euch zu beweisen, dass Ihr dem Haushofmeister wirklich vertrauen könnt, verrate ich Euch ein großes Geheimnis. Es heißt – und jeder glaubt, dass die Gottesdienerin im Sterben liegt und niemand mehr empfangen kann. Chechonq trifft sie aber heimlich, sodass es niemand merkt.«
»Das bedeutet ja, dass Richter Gem glaubt, sie könne uns nicht helfen!«, rief Kel.
»Vor allem dürft Ihr Euch nicht von der Stelle rühren! Wartet die Anweisungen Ihrer Majestät ab.«
Ein schier endloser Tag wollte und wollte nicht zu Ende gehen. Um die Händler aus der Nachbarschaft nicht misstrauisch zu machen, taten Bebon und Nordwind so, als hätten sie Verschiedenes zu liefern, und brachten immerhin Essen und Trinken mit zurück.
Dann wurde es endlich Nacht.
Und Bebon begann wieder unruhig auf und ab zu gehen. Mal glaubte er, dass ihr Helfer anständig war; dann wieder hatte er nur düstere Gedanken. Nitis und Kel verloren keine überflüssigen Worte und genossen jeden Augenblick ihrer Liebe, als wäre er der letzte.
Da schabte Nordwind an der Tür.
Ihr Verbündeter stürzte in die Wohnung, und man sah ihm an, dass er in heller Aufregung war.
»Der Haushofmeister hat der Gottesdienerin den verschlüsselten Papyrus gezeigt«, sagte er mit zitternder Stimme, »aber sie kann ihn auch nicht lesen. Um ihn zu entziffern, benötigt man zwei Schlüssel, und sie besitzt nur einen, den der Vorfahren.«
»Und wo ist der zweite?«, fragte Kel.
»Mitten in der Westlichen Nekropole, in Form von vier Gefäßen, die den vier Horus-Söhnen gewidmet sind.«
»Weiß Ihre Majestät, wo genau sich diese Gefäße befinden?«
»Leider nein. Es gibt nur einen einzigen Menschen, der da helfen kann: der Oberbalsamierer.«
»Ihr müsst ihn sofort treffen.«
»Es tut mir leid, aber das geht nicht; wir sind völlig verfeindet.«
»Warum denn?«
»Weil dieser schlechte Mensch nur an seinen Gewinn denkt. Der Haushofmeister hätte ihn schon längst entlassen sollen. Aber er macht seine Arbeit gut, und es gibt keine Klagen. Da die Gottesdienerin als bettlägerig gilt, kann sie ihn auch nicht nach Karnak bestellen. Und dem Haushofmeister wird er keine Antwort geben, weil er diese Gefäße, die von unschätzbarem Wert sind, wahrscheinlich gestohlen hat. Sie wurden auf Wunsch des Vorgängers von Chechonq angefertigt, einem ehemaligen Schreiber aus dem Übersetzeramt und großem Verehrer der verschlüsselten Sprache. ›Mein Meisterwerk habe ich auf diese vier Kanopen geschrieben‹, hat er der Gottesdienerin einmal gestanden.«
Dann kommt die Geschichte ja doch noch zu einem guten Ende, dachte Kel.
Der Schreiber machte einen niedergeschlagenen Eindruck.
»Es tut mir außerordentlich leid, aber da rennt Ihr gegen eine Wand. Der Balsamierer redet bestimmt nicht. Die Untersuchung über den Verbleib dieses Schatzes ist ergebnislos verlaufen, und
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