Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
angewiesen hatte; er selbst sagte eine Litanei auf.
Als er bei der letzten Zeile angelangt war, tauchte ein gewaltiges Krokodil aus dem Wasser auf. Bebon war von seiner Größe beeindruckt, ließ sich aber von der schrecklichen Schönheit seines Kopfes mit den grausamen Augen nicht blenden.
Plötzlich öffneten sich seine riesigen Kiefer drohend.
»Geht ruhig näher hin, Ihr braucht keine Angst zu haben«, forderte der Priester Nitis auf. »Sprecht mit ihm und gebt ihm seine Nahrung ins Maul.«
Eine Kleinigkeit hatte der Mann allerdings vergessen zu erwähnen: Das Ungeheuer erkannte seine Wohltäter an ihrer Stimme und verschonte sie. Eindringlinge hingegen wurden zur willkommenen Beute.
Dass der Priester so unruhig war, gab Kel zu denken. Er konnte es anscheinend gar nicht erwarten, dass die Prozedur beendet war.
»Warte noch, Nitis!«
Aber zu spät, schon war sie in Sobeks Reichweite.
»Ich bin hier, weil ich dich um Hilfe bitten will«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Dich hat Neith gesäugt – gib mir die Waffe, die ich brauche, damit ich meinen Weg fortsetzen kann.«
Der gewaltige Rachen öffnete sich noch weiter, gleich würden die Kiefer die Beine der Unbekannten packen.
Mit größter Anmut reichte Nitis dem Gott seine Speisen.
Erschrocken wollte der Priester Reißaus nehmen, lief aber Bebon in die Arme.
»Hiergeblieben«, befahl ihm der. »Wolltest du uns etwa eine Falle stellen, du kleiner Gauner?«
Satt und zufrieden verschwand das Krokodil in den Tiefen des Sees.
»Was sollte das denn werden?«, fragte der Schauspieler seinen Gefangenen, der vor Angst am ganzen Körper zitterte.
»Das versteh ich nicht … Das Krokodil … Es hätte doch …«
»Es hätte doch die Priesterin verschlingen müssen, ja? Dafür schlag ich dir den Schädel ein, mein Guter.«
Jetzt tauchten die anderen Priester auf, die sich mit Stöcken bewaffnet hatten.
»Aha, da haben wir ja den Rest der Bande!«
»Gebt auf«, verlangte der Älteste, »wir sind in der Überzahl.«
In einer Wasserfontäne tauchte das Krokodil wieder auf, kam zu Nitis, öffnete sein Maul und legte einen Bogen aus Akazienholz mit zwei Pfeilen, den Wahrzeichen der Göttin Neith, ans Ufer.
Die Priesterin nahm Pfeil und Bogen, spannte ihn und richtete ihn auf die Priester, die sich voller Angst davonmachten.
29
I ch bin Menk, Sonderbeauftragter des obersten Palastverwalters Henat, und habe einige Fragen an Euch.«
Der streitbare Ton dieses vornehmen, eigentlich angenehm wirkenden Mannes, überraschte den Kapitän der Skarabäus. Er machte gerade zwei Tagesreisen von Memphis entfernt einen Zwischenhalt und hatte nicht mit so einer unerwarteten Überprüfung gerechnet. Nachdem er seine erste Gruppe von Fahrgästen nach Mittelägypten gebracht und dort drei hohe Beamte an Bord genommen hatte, die es eilig hatten, nach Memphis zu kommen, dachte er bereits an seine nächste Fahrt.
»Ich höre.«
»Bei Eurer letzten Reise hattet Ihr mehrere Fahrgäste.«
»Richtig, einen Deichaufseher und vier vornehme Damen; eine von ihnen war eine reiche Gutsbesitzerin und hatte ihren Verwalter und ihren Sandalenträger bei sich.«
»Ihr Name?«
»Nefertem.«
»Kanntet Ihr sie?«
»Nein, ich habe sie zum ersten Mal gesehen. Sie besitzt selbst ein Schiff, wollte aber lieber in angenehmer Gesellschaft reisen.«
»Gab es irgendwelche Zwischenfälle?«
»Kaum …«
»Etwas genauer, bitte!«
»Nefertem und ihre Diener haben mein Schiff bei einem Zwischenhalt im Faijum vorzeitig verlassen.«
»Warum?«
»Es soll irgendwelche Schwierigkeiten mit der Verwaltung in Memphis gegeben haben. Nefertem wollte eine ihrer Ländereien in der Gegend besuchen.«
Jetzt war Menk überzeugt: Nitis reiste unter falschem Namen, und der Schreiber Kel und ein Helfer begleiteten sie.
»In Zukunft haltet Ihr Euch an die geltenden Vorschriften, Kapitän. Sonst bekommt Ihr Ärger.«
Menk hoffte, in Medinet, der Hauptstadt der Provinz Faijum, die Spur der Flüchtigen zu finden. Er wurde nicht enttäuscht. Ganz Medinet sprach nur von dem ernsten Zwischenfall, der sich am See von Sobek ereignet hatte.
Menk ging zum Tempel, wo ihn der Hohepriester, der zu seiner Verwunderung irgendwie wie ein Reptil aussah, sehr höflich empfing.
»Ich bin im Auftrag des obersten Palastverwalters unterwegs und möchte Euch helfen. Was ist geschehen?«
»Die Ritualisten, die über das Wohlergehen des heiligen Krokodils wachen, wurden von einer Verbrecherbande überfallen. Ohne ihren Mut
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