Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
Ungeheuer fühlten sich in ihrer Ruhe gestört und stürzten sich auf diese unverhofft reiche Beute.
Wütende Schläge trafen die Nilwasser, während die übrigen Soldaten das Handelsschiff enterten, auf dem ihnen kein Widerstand mehr geleistet wurde.
Bei Fackelschein inspizierte Richter Gem das Deck. Der Anblick eines Leichnams überraschte ihn ganz besonders: der von Menk, dem Veranstalter der Feste von Sais! Hatte dieser vornehme Würdenträger also zu den verbrecherischen Truppen des Schreibers Kel gehört, zu denen auch ein Kapitän und mehrere Söldner zählten.
Da hatte man eine schöne Menge Verbrecher auf einen Schlag beseitigt! Allerdings fehlten der Hauptschuldige, der Schreiber Kel, und seine wichtigsten Helfershelfer, die Priesterin Nitis und der Schauspieler Bebon.
Von den Schwimmern, die sie verfolgt hatten, hatten nur drei überlebt.
»Keiner der Flüchtigen konnte den Krokodilen entkommen«, meinte ein Offizier.
Ungeduldig erwartete der Richter den Morgen, um den Nil und seine Ufer absuchen zu können.
Aber obwohl sie lange und gründlich suchten, wurden sie nicht fündig.
»Die großen Fische mit ihren scharfen Zähnen haben nichts von diesen Übeltätern übrig gelassen«, war sich der Offizier ganz sicher. »Wenn sie hungrig sind, können sie unvorstellbar grausam sein. Und der Mörder und seine Helfershelfer sind ihre ersten Opfer gewesen.«
Aber Richter Gem war sich seiner Sache irgendwie nicht ganz sicher.
»Eines unserer Schiffe soll langsam Richtung Süden fahren und nach menschlichen Überresten Ausschau halten. Wir suchen noch einmal die Ufer ab und befragen die Fischer und Bauern aus der Gegend. Außerdem durchsuchen wir die Häuser in den umliegenden Dörfern.«
»Das ist doch verlorene Zeit«, meinte der Offizier. »Die Flüchtigen können nicht überlebt haben.«
»Hier treffe ich die Entscheidungen«, erinnerte ihn der Richter.
Gem musste wieder an den seltsamen Blitz denken, der gerade in dem Augenblick die Nacht erhellt hatte, als sie an dem anderen Schiff angelegt hatten. Dabei hatte es weit und breit keine Spur von einem Unwetter gegeben. Dann musste es wohl ein Zeichen der Götter gewesen sein. Aber was wollten sie damit sagen? Wahrscheinlich wollten sie mit ihrem gerechten Zorn den Mörder treffen und sein elendes Dasein zermalmen.
Nach einer letzten Durchsuchung sollte diese verhängnisvolle Angelegenheit endlich beendet sein, und das Reich des Pharaos könnte wieder aufatmen.
41
W eil er Tag und Nacht arbeitete, erzielte Phanes von Halikarnassos in erstaunlich kurzer Zeit hervorragende Ergebnisse. Die Soldaten in Elephantine fürchteten sich vor seiner Rücksichtslosigkeit und hatten die Festung von einem Tag auf den anderen grundlegend verwandelt: Plötzlich herrschte Zucht und Ordnung, jeder trug einwandfrei saubere Kleidung, die Waffen waren gewartet, die Unterkünfte gründlich geputzt, alle Übungen wurden streng nach Anweisung durchgeführt … Und schon bald sollten griechische Ausbilder die ehemals mittelmäßigen und faulen Soldaten in wilde Kämpfer verwandeln, die jedem Angriff nubischer Stämme standhalten konnten und ihnen den Zutritt zu Ägyptens Grund und Boden verwehren würden.
Nicht mal der Zauber dieser schläfrigen Stadt im Süden und die Schönheit der Landschaft vermochten den Feldherrn zu verführen. Er hatte nichts anderes im Sinn als die Stärke der Truppe und ihre Fähigkeit, den Feind in Stücke zu schneiden. Und so weit war man eben längst noch nicht!
»Versammelt euch!«, rief er jetzt.
Sofort kamen von allen Seiten die Soldaten herbeigelaufen und stellten sich auf dem großen Platz in einer Reihe auf.
Phanes wartete, bis es vollkommen still war. Manche Männer hielten sogar den Atem an.
»Ich bin sehr unzufrieden mit euch, Soldaten«, brüllte der Feldherr. »Der Offizier, der euch den Kampf Mann-gegen-Mann beibringen soll, hat mir von einigen Feiglingen berichtet, die sich gedrückt haben. Dieses Verhalten ist durch und durch unzulässig. Bei diesen Übungen gibt es nun einmal Verluste, und keiner von euch hat die Regeln in Frage zu stellen.«
Der Hüne deutete auf einen etwa dreißigjährigen Mann.
»Du da, komm her!«
Der Mann gehorchte.
»Besiege mich mit deinen bloßen Fäusten.«
»Aber, Feldherr …«
»Ich bin dein Feind, vernichte mich. Wenn du es nicht tust, tue ich es.«
Phanes verpasste ihm einen Faustschlag in den ungeschützten Bauch. Der Mann war wütend, dass er sich so hatte überraschen lassen, und
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