Götterschild
dass du dich uns angeschlossen hast.«
»Ich bin ja nicht Targ zuliebe mitgekommen«, erwiderte Selira und überließ es Rai, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Sie wandte sich an Belena. »Meinst du, du schaffst es, uns zu folgen?«
Die Angesprochene nickte nur, ihr Gesicht blieb dabei aber gänzlich unbewegt.
»Also dann«, seufzte Rai. »Sehen wir mal, ob uns Shyrali ein paar brave Pferde besorgt hat, die uns nicht einfach unterwegs abwerfen. Hü!«
Der Grund fiel rasch zum Meer hin ab und bald schon verlor sich der Pfad in einigen niedrigen, grasbewachsenen Dünen, die schließlich in den flachen Strand übergingen. Das Wasser schien sich gerade zurückzuziehen, denn ein etwa zehn Schritt breiter Abschnitt des Strands war noch feucht, wurde jetzt aber nicht mehr überspült. Wie Targ gesagt hatte, konnten sie ihre Pferde auf diesem glatten Sandstreifen gefahrlos laufen lassen. Den Tieren bereitete es regelrecht Freude, am Strand entlangzugaloppieren. Nachdem sich Rai an das harte Auf und Ab des Pferderückens gewöhnt hatte, vermochte auch er den wilden Ritt ein wenig zu genießen. Die mit sattem Grün gesprenkelten, steil aufragenden Flanken des Furchensteins, zu dessen Füßen sich der Strand und das Meer erstreckten, übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf den jungen Tileter aus, sodass er nicht müde wurde, alles zu bestaunen.
Plötzlich wichen die Felsen zur Rechten jäh zurück und eine von hölzernen Palisaden umgrenzte, weitläufige Festung wurde sichtbar, die in den Berg hineingebaut worden war. Die Anlage schien verlassen, aber selbst im Vorbeireiten konnte Rai in dem Geröll zwischen den Palisaden und dem Strand zahlreiche abgebrochene Pfeile, mehrere verrostete Rüstungsteile und geborstene Schwerter erkennen. Es war unübersehbar, dass hier vor nicht allzu langer Zeit ein heftiger Kampf getobt hatte. Demnach musste das Königswacht sein.
Er sah wieder nach vorn zu Targ, der gerade in einen Schwarm am Boden sitzender Seevögel hineinritt, die daraufhin alle gleichzeitig aufflogen. Der Ecorimkämpfer verschwand augenblicklich in der flatternden Masse, so als habe man unmittelbar hinter ihm einen Federvorhang hochgezogen. Der aufsteigende Vogelschwarm bot einen grandiosen Anblick und Rai spornte übermütig sein Pferd noch etwas mehr an, um wie Targ in diese geflügelte Wolke eintauchen zu können. Doch eine Windböe trieb die aufgeregt kreischende Schar aufs Meer hinaus, noch ehe Rai sie erreichte. Enttäuscht blickte er den Vögeln nach, als er im Augenwinkel direkt vor sich Targ entdeckte, der sein Pferd gerade zum Stehen gebracht hatte. Gleich darauf wurde deutlich, warum Targ so plötzlich anhielt: Halb im Sand versunken, ragten die Gerippe mehrerer Katapulte in die Höhe und bildeten einen regelrechten Wall aus teils gebrochenem Gestänge und verrottenden Tauen. Rais Pferd versuchte, abrupt abzubremsen, was den unvorbereiteten Rai in hohem Bogen aus dem Sattel schleuderte. Doch er hatte Glück. Er landete hinter dem Hindernis auf dem weichen Sandboden.
Sein Pferd kam allerdings nicht so glimpflich davon. Es konnte nicht mehr rechtzeitig anhalten und versuchte deshalb, doch noch über das Hindernis hinwegzusetzen. Dazu reichte allerdings der Schwung nicht mehr aus und das Tier landete inmitten der zerborstenen Kriegsgeräte. Dabei verfing sich sein rechter Vorderlauf so unglücklich zwischen den Tauen und einem Balken, dass es ins Straucheln geriet, vornüber kippte und mit seiner ganzen Masse über Rai zusammenbrach. Die Hauptlast konzentrierte sich auf seine Beine und als sich das Tier in Panik wieder zu erheben versuchte, knackte Rais Oberschenkel vernehmlich. Der Schmerz raubte ihm die Sinne.
Als er wieder zu sich kam, sah er über sich Targs Gesicht.
»Das ist ja eine schöne Bescherung«, bemerkt dieser trocken.
Neben dem Ecorimkämpfer stand am ganzen Leib zitternd Rais Pferd. Dessen Flanke war von der scharfkantigen Spitze einer Katapultstange aufgeschlitzt worden und ein Bein offensichtlich gebrochen.
»Bei den Göttern, mein armes Pferd«, jammerte Rai, dem die röchelnde Laute des zu Tode verwundeten Tieres durch Mark und Bein gingen. Dabei vergaß er ganz seine eigene Verwundung.
»Rai!«, rief Selira und sprang vom Pferd. Da die Vögel mittlerweile nicht länger die Sicht behinderten, hatte sie das Hindernis rechtzeitig ausmachen und abbremsen können. »Ist dir was passiert?«
»Ich weiß nicht«, antwortete er immer noch benommen. »Aber ich glaube, mein
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