Götterschild
Lampenöl herum, um die Laternen an Deck und in den Offizierskajüten zu befallen und anschließend anzuzünden.
Bei diesem Anblick hatte Targ endlich die ersehnte Eingebung. Doch er musste sofort handeln, wenn sein Plan gelingen sollte. Es blieb keine Zeit, alles noch einmal zu überdenken. Kurz entschlossen folgte er dem Mann mit dem Fässchen nach unten zu einem der kleineren Lagerräume, die nicht von Verwundeten belegt waren. Dort angekommen, stellte der Matrose die Laterne, die er bei sich trug, um im dunklen Unterdeck etwas sehen zu können, auf den Boden und nahm einen Schlüssel aus der Tasche. Er öffnete die Tür und wollte gerade das Ölfass dahinter verstauen, als er seinen Verfolger gewahr wurde.
»Wer ist da?« Er hob die Lampe hoch. Als er im flackernden Licht Targs verbundenen Kopf erkannte, runzelte er die Stirn. »Bei den Geistern der See, was schleichst du mir nach? Solltest du nicht bei den anderen Lanzern im Verwundetenlager sein?«
Targ musste improvisieren. »Ich habe dich gerade mit dem Ölfass gesehen und wollte fragen, ob ich nicht auch etwas Öl und eine Laterne von dir bekommen könnte, um unsere Unterkunft ein wenig zu erleuchten. Es ist so finster da.«
Der Matrose prustete unversehens los. »Du bist mir ja ein schöner Kehlenschlitzer! Willst einer der gefürchteten Schwarzlanzer sein und hast Angst im Dunkeln? Das muss ich den anderen erzählen, die werden brüllen vor Lachen.« Er bedachte Targ mit einem höhnischen Blick, während er sich anschickte, die Tür zu der Vorratskammer wieder zu schließen. »Nein, nein«, fügte er kopfschüttelnd hinzu, »schlag dir das mal aus dem Kopf. Nur Kapitän, Steuermann und Offiziere bekommen Licht in ihren Kajüten. Sonst keiner. Schlechte Karten also für dich, wenn du dir im Dunkeln in die Hosen machst.« Er lachte wieder.
Targ warf einen prüfenden Blick über die Schulter. Sie waren allein. Mit einer schnellen Bewegung packte er den Mann mit eisernem Griff an den Haaren. Dann schmetterte er dessen Kopf krachend gegen die Bretterwand. Augenblicklich knickten die Beine des Matrosen weg. Benommen ging dieser zu Boden. Targ fing die Öllampe auf, die dem angeschlagenen Seemann aus den Händen glitt, und stellte sie ab. Daneben deponierte er das Fässchen mit Lampenöl, nahm dann den Schlüssel für die Vorratskammer an sich und begann, den betäubten Matrosen in die überfüllte Kammer zu schieben. Kaum war das geschafft, schlug er die Tür zu und verschloss sie. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
Er klemmte sich das Öl unter den Arm, griff nach der Lampe und hastete zurück an Deck. Dort musste er sich zwingen, wieder langsamer zu gehen. Er wollte schließlich nicht sofort alle Blicke auf sich ziehen. Erleichtert stellte er fest, dass die meisten Matrosen sich an der Backbordseite des Schiffes versammelt hatten und schweigsam aufs Wasser hinausstarrten. Sie wandten ihm ausnahmslos den Rücken zu. Indes erkannte er gleich darauf, dass es sich dabei um alles andere als eine glückliche Fügung handelte. Denn die Aufmerksamkeit der Besatzung war auf das andere Schiff gerichtet, auf dem sich im matten Schein der Öllaternen ein grauenhaftes Schauspiel vollzog. Wie eine Herde Kälber vor der Schlachtbank standen dort die Istanoit an Deck zusammengedrängt, umringt von einigen bewaffneten Soldaten und Matrosen. Es war unverkennbar, was der Zweck des Ganzen sein sollte: Man würde sie einen nach dem anderen in die dunklen Fluten stoßen.
Targ lief los. Ein unauffälliges Vorgehen konnte er sich jetzt nicht mehr leisten. Sein Ziel war der Bug, wo mehrere Rollen Segeltuch, Taue und Leinen verstaut lagen. Noch im Laufen entkorkte er das Ölfass. Sobald er die Tuchrollen erreicht hatte, kippte er den gesamten Inhalt darüber aus. Er trat zwei Schritte zurück, packte die brennende Laterne und schleuderte sie auf das ölgetränkte Ersatzsegel. Klirrend zerbrach das gläserne Lampengehäuse. Es dauerte einen Moment, dann begannen sich gierig leckende Flammenzungen über das Segeltuch auszubreiten.
»Was machst du da?«, hörte er einen alarmierten Ruf hinter sich.
Targ fuhr herum, sein Messer in der Hand. Er musste das Feuer verteidigen, bis es groß genug war, sonst würde es sich zu leicht löschen lassen. Er sprang vorwärts und stach nach dem verdutzten Besatzungsmitglied, das ihn entdeckt hatte. Er wollte den Mann nicht wirklich treffen, nur zurückdrängen. Das gelang zwar, allerdings erregte dessen Geschrei die Aufmerksamkeit weiterer
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