Götterschild
später waren die beiden Beiboote zu Wasser gelassen und zahlreiche Matrosen mit Eimern und Fässern kletterten hinein. Eilig legten sie ab, um zu ihrem brennenden Schwesterschiff hinüberzurudern, bei dem mittlerweile der gesamte Bug einschließlich des vorderen Masts und der Segel in Flammen stand.
Targ begann zu schwimmen. Seine unterkühlten Muskeln schmerzten bei der Anstrengung, aber er biss die Zähne zusammen und näherte sich Zug um Zug dem Schiff der gefangenen Istanoit. Bisher hatte alles mehr oder weniger so funktioniert, wie er es sich vorgestellt hatte, doch nun musste er feststellen, dass er das Schwimmen in der nächtlichen See unterschätzt hatte. Die eigentlich lächerliche Distanz erwies sich als wahre Tortur. Er hatte das sichere Gefühl, dass das Schiff von ihm wegtrieb und sich der Abstand kaum verkürzte. Er verdoppelte seine Anstrengungen, aber die Kälte des Wassers schien seine Kräfte förmlich aus ihm herauszusaugen. Obwohl er fror, entledigte er sich seiner Schuhe und des Wamses, da diese ihn massiv beim Schwimmen behinderten. Er behielt nur seine Hose und das Messer, welches er sich zwischen die Zähne klemmte. Dann kämpfte er sich weiter voran.
Eine halbe Ewigkeit später und völlig erschöpft berührten seine Finger endlich den schmierigen Rumpf der Galeone. Er blickte zurück und musste zu seinem Schrecken feststellen, dass das Feuer auf dem anderen Schiff bereits um einiges kleiner geworden war. Die beiden Besatzungen hatten den Brand beinahe unter Kontrolle. Es blieb Targ also keine Zeit, sich auszuruhen.
Er glitt möglichst geräuschlos am Rumpf entlang, bis er die Strickleiter erreicht hatte, die die Matrosen zuvor zum Besteigen der Beiboote benutzt hatten. Mit dem letzten verbliebenen bisschen Muskelkraft hievte er seinen zitternden Körper aus dem Wasser, bis es ihm gelang, einen Fuß auf die unterste Leitersprosse zu setzen. Dort verharrte er erst einmal tropfend und rang mit den Krämpfen, welche seine Muskeln in Armen und Beinen heimsuchten. Die Wunde an der linken Schulter beeinträchtigte ihn dagegen kaum, die Unterkühlung hatte in diesem Fall eine eher lindernde Wirkung.
Als die Schmerzen etwas nachließen, hob er den Kopf, um nach oben zur Reling zu schauen. Sein Herz setzte einen Schlag aus, als er unmittelbar über sich mehrere Gestalten bemerkte. Auch ihre Stimmen konnte er jetzt hören. Sie führten eine leise Unterhaltung, die sich ohne Zweifel um die Vorgänge auf dem brennenden Schiff drehte. Der wie ein nasser Sack unter ihnen an der Strickleiter baumelnde Targ war ihnen bisher nicht aufgefallen.
Der Ecorimkämpfer fluchte innerlich. Natürlich hatten nicht alle Matrosen den Segler verlassen, um beim Löschen zu helfen. Eine Notbesatzung war zurückgeblieben, damit das Schiff manövrierbar blieb. Und diese Handvoll Leute drückte sich, um auch ja nichts von dem Flammeninferno auf dem Schwesterschiff zu verpassen, gesammelt auf der Steuerbordseite herum, die dem havarierten Segler zugewandt war und an der auch die Strickleiter hing. Hier unbemerkt an Bord zu gelangen, war so gut wie unmöglich. Auf der Backbordseite würde es aber mit Sicherheit keine Kletterhilfe geben, um die Schiffsflanke zu erklimmen. In seinem Zustand fühlte sich Targ nicht in der Lage, sich mit einem halben Dutzend Matrosen herumzuschlagen. Er nahm sein Messer aus den Zähnen und steckte es in den Hosenbund. Diese Sache musste er anders angehen.
»Helft mir!«, rief er keuchend und streckte den Seeleuten an der Reling flehend die Hand entgegen. »Helft mir hoch!«
Überrascht blickten die Matrosen nach unten auf den durchnässten, halb nackten Mann mit einer blutenden Wunde unter einem schmutzigen Verband am Kopf und einer weiteren an der Schulter. Ohne zu zögern, reichten sie ihm ihre Hände und zogen ihn über die Reling.
»Was ist los, bist du über Bord gefallen?«, erkundigte sich einer mit zweifelnd gefurchter Stirn.
»Ich bin hier rübergeschwommen …«, erklärte Targ und gab vor, immer noch völlig außer Atem zu sein, »… habe mich gerettet. Das andere Schiff ist verloren. Es wird sinken.«
»Was?« Der Ausruf kam aus mehreren Mündern gleichzeitig. Weitere Besatzungsmitglieder drängten sich heran, darunter auch einige, die Waffen bei sich trugen. Targ begann, an seiner Taktik zu zweifeln, aber nun war es ohnehin zu spät.
»Das Feuer hat ein riesiges Loch in den Rumpf gefressen«, berichtete er mit gebührendem Entsetzen in der Stimme. »Auch wenn es beinahe
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