Götterschild
selbst von den drachischen Feuergedanken befreit hatte, hatte er auch seine Männer gerettet.
›Klingenträger …‹, manifestierte sich das fremde Denken erneut in seinem Kopf … ›viel Potenzial … wenig Kontrolle hast du … einige vermagst du zu schützen … der Rest wird brennen … Feuerzwinger … deine Schuld … dein Versagen und … deine Schwäche.‹
Ein schattenhafter Umriss, den Arden eigentlich für einen Teil des Felsbodens gehalten hatte, bewegte sich vor ihm. Es sah aus, als würde sich ein Steinbrocken spontan in die Luft erheben, ohne dass erkennbar gewesen wäre, welche Kraft ihn dazu befähigte. Dann öffneten sich zwei waagrechte Spalten in diesem schwebenden Felsbrocken. Glutrot glänzende, kopfgroße Kugeln kamen dahinter zum Vorschein, darin je ein schwarzes Oval, das sich zu einem senkrechten Schlitz verengte, als sich das Licht der Fackeln darin brach. Arden stand Auge in Auge mit dem Erzfeind der Götter.
Nur langsam begann er zu begreifen, was da vor ihm aufragte. Bei dem vermeintlichen fliegenden Felsen handelte es sich um das Haupt des Drachen. Allein dieser Kopf, den ihnen die Schreckenskreatur an einem langen Hals entgegenreckte, maß bereits in der Höhe wie in der Breite mehr als eine Mannslänge. Ein heiseres Grollen ließ den Höhlengrund erzittern. Der steingraue Drachenkopf schien sich der Breite nach in zwei Hälften zu teilen. Gelbliche Zähne, dicker als die von Ardens Soldaten zu viert getragenen Lanzen, blitzten ihnen entgegen. Der Atem der Echse drang fauchend aus dem aufgerissenen Maul.
Dann kam Arden endlich zur Besinnung. »Schießt«, brüllte er, »feuert alle Geschütze ab, sofort!«
Im gleichen Augenblick erwachte jedoch der gesamte hintere Teil der Höhle zum Leben. Der halbe Berg schien auf einmal in Bewegung zu geraten. Wie eine Schattenlawine schoss der mächtige Leib des Drachen über sie hinweg. Arden wurde von einem starken Luftschwall zu Boden gefegt. Er hörte Holz bersten, Schreie, das Schnalzen der ausgelösten Ballisten, splitternden Stein, Flüche. Dann herrschte Stille.
Arden rappelte sich wieder auf. Er war unverletzt. Aber seine Knie gaben nach. Er stolperte vorwärts und musste sich dabei auf sein Schwert stützen, um nicht zu fallen. Dunkelheit umgab ihn. Alle Fackeln waren erloschen. Es ließ sich kein Lebenszeichen von seinen Männern ausmachen. Doch er kümmerte sich nicht darum. Wie ein Betrunkener torkelte er dem schwachen Lichtschimmer entgegen, der vom Höhlenausgang bis hierher in die Tiefen des Drachenhorts drang. Er musste sehen, was draußen geschah. Im Grunde seines Herzens wusste er es bereits. Doch er brauchte Gewissheit, auch wenn ihm der Anblick den Verstand rauben würde.
Schließlich stand er wieder im Freien. Er blickte hinab auf die weiße Ebene, wo sich sein Heer noch kurz zuvor in ganzer Stärke präsentiert hatte. Jetzt gab es dort keine geordneten Schlachtreihen mehr, keine in säuberlichen Rechtecken aufgestellten Einheiten mit blinkenden Schwertern, keine langen Linien aus Bogenschützen oder Axtschwingern. Jetzt rannte dort unten nur noch alles ums nackte Überleben. Denn das geflügelte Grauen war über ihnen und es gab rein gar nichts, was sie dieser Ausgeburt des Bösen entgegenzusetzen hatten.
Mit einem Gefühl der Taubheit musste Arden mit anschauen, wie sich der Drache durch die Luft bewegte, als wäre sein Leib nicht denselben Naturgesetzen unterworfen wie alles andere in den Ostlanden. Wenn man einen Stein in den Himmel warf, dann fiel er genauso schnell auch wieder herab. Hier segelte jedoch ein Wesen von der Größe eines Berges durch die Lüfte, dessen erschreckend gewandte Flugmanöver ihn nicht die geringste Mühe zu kosten schienen. Sein langer, spindelförmiger Leib verbog sich dabei wie der einer Schlange. Mit den ausgebreiteten Schwingen hätte der Drache dabei gut und gerne das Dach des Tileter Königspalastes überspannen können. Von seiner felsenfarbenen Haut prallten die Pfeile einiger wagemutiger Schützen ab, als bestünde die Echse wahrhaftig aus solidem Stein. Den Bailisten fehlte es dagegen weniger an Durchschlagskraft als an Wendigkeit. Ehe das Geschütz noch korrekt ausgerichtet werden konnte, war der Drache schon längst vorübergeglitten. Wenn das massive Geschoss dennoch losgeschleudert wurde, verfehlte es um Längen sein Ziel und schlug stattdessen irgendwo zwischen den ohnehin schon kopflos flüchtenden Truppen ein, wo es stets ein paar Körper zerschmetterte.
Aber dieser
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