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Götterschild

Titel: Götterschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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Beschuss aus den eigenen Reihen fiel beinahe nicht mehr ins Gewicht. Denn wo auch immer der Drache vorbeiflog, begannen sich die Menschen in Schmerzen am Boden zu winden, so als stünden sie tatsächlich in Flammen. Es dauerte nur ein paar qualvolle Augenblicke, bis sie schließlich regungslos, in unnatürlich verkrümmten Posen liegen blieben, obwohl kein Feuer ihre Körper versehrt hatte. Es konnte dennoch kein Zweifel bestehen, dass sie die Welt der Lebenden für immer verlassen hatten. Schon jetzt ließ sich die Zahl der auf diese Weise Hingeschlachteten nicht mehr schätzen. Arden musste sich der schrecklichen Gewissheit stellen, dass der Drache nicht aufhören würde, bis er alle Menschen auf diesem eisigen Schlachtfeld in solch grotesk verkrümmte Mahnmahle seiner Unbesiegbarkeit verwandelt hatte.
    Inzwischen stand Arden nicht mehr allein vor dem Eingang des Drachenhorts. Unbemerkt hatten sich die Überlebenden aus der Höhle, etwas mehr als hundert Mann, um ihn geschart und starrten nun ebenso fassungslos wie er auf das tobende Chaos zu ihren Füßen. Die Nähe seiner Soldaten gab Arden wieder etwas Halt. Noch war nicht alles verloren. Noch gab es ein paar Leben zu retten, wenn es schon sonst nichts mehr zu gewinnen gab an diesem Tag des Untergangs.
    Zitternd, aber entschlossen hob Arden das Schwert Ecorims und betrachtete für einen Moment die makellos glänzende Klinge. Neue Kraft durchfloss ihn. Die Folgen dieser vernichtenden Niederlage würde er noch früh genug zu spüren bekommen. Er musste sich seiner Verantwortung stellen. Unter dieser Last zusammenbrechen konnte er später immer noch. Der Drache hatte gesagt, er wäre schwach. Aber vielleicht war Arden doch nicht ganz so schwach, wie die Schuppenkreatur dachte.
    »Wir müssen hier weg«, sagte Arden mit brüchiger Stimme zu seinen Soldaten, ohne sich nach ihnen umzusehen. »Bleibt nahe bei mir, ich werde versuchen, euch vor seinem Feuer zu schützen.« Mit Ecorims Schwert in der Hand lief er los, den Geröllhang hinab und auf das Schneefeld hinaus.
    Alles, was danach geschah, erlebte Arden seltsam unbeteiligt, als wäre er nur noch lose mit seiner sterblichen Körperhülle verbunden. Er rannte und rannte, setzte über Eisspalten hinweg, sprang über Haufen zurückgelassener Schilde und Waffen, wich Leichen und Geschütztrümmern aus. Wo immer er hinkam, schlossen sich ihm die Soldaten an, so als wüssten sie instinktiv, dass es nur an seiner Seite Hoffnung gab. Mehrfach schoss der mächtige Drachenleib dicht über ihre Köpfe hinweg, aber in Ardens Gefolge fiel niemand mehr zuckend in den Schnee. Obwohl ihm nicht gänzlich bewusst war, wie er dies vollbrachte, hatte Arden einen Weg gefunden, seine Truppen vor den tödlichen Gedanken des Drachen zu bewahren. Irgendwie übertrug sich sein bedingungsloser Überlebenswillen auf seine Leute und das schützte sie vor dem vernichtenden inneren Feuer.
    So erreichte er schließlich den See am Ende des Eisfelds. So weit hatte der Drache bisher keinen seiner Feinde kommen lassen. Ohne darüber nachzudenken, lief Arden weiter am Rande des großen Gewässers entlang in Richtung der Klamm, die der Ablauf des Sees durch die umgebenden Berge hindurchgefräst hatte. Dort befand sich der einzige möglichen Fluchtweg aus dem Eistal, ein Nadelöhr von vielleicht zehn Schritt Breite. Hier hatten sich nun alle verbliebenen Truppen in kürzester Zeit hindurchzuquetschen, wenn sie dem Drachen entrinnen wollten. Laut rauschte der Fluss zu seinen Füßen dahin, mehrfach verstärkt durch das Echo zwischen den steilen Felswänden. Glücklicherweise war der Bach nicht tief, sodass er sich leicht durchwaten ließ. Außerdem bestand der Untergrund aus feinem Kies, auf dem ein sicheres und rasches Vorwärtskommen keine Schwierigkeiten bereitete.
    Arden eilte ohne Pause weiter, bis er endlich das Ende der Engstelle erreicht hatte. Dahinter öffnete sich eine weite, gen Osten abfallende Hochebene. Der hier noch etwa drei Schritt tief in die Felsen gebettete Fluss beschrieb eine sanfte Biegung nach rechts, wo er unvermittelt als Wasserfall in ein angrenzendes Tal hinabstürzte, das sie jedoch auf ihrem Weg zurück nach Arch Themur nicht durchqueren mussten. Erst jetzt konnte Arden seine Gedanken wieder so weit sammeln, dass er daran dachte, sich nach seinen Männern umzuschauen. Noch immer fühlte er sich merkwürdig entrückt, so als befänden sich seine Gedanken irgendwo anders, außerhalb seines Körpers. Sein Blick wanderte

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