Götterschild
Ohne Arden dabei aus den Augen zu lassen, senkte er das Haupt wie ein Batrabulle, der im Begriff war, auf einen Rivalen loszugehen. »Ihr wagt es tatsächlich, mir die Schuld an dem Desaster zu geben, das allein aufgrund Eurer selbstsüchtigen Weigerung, meinen Anweisungen Folge zu leisten, über diese göttergerufenen Heerscharen hereingebrochen ist?«
»Ihr habt mir keine Anweisungen zu erteilen«, antwortete Arden mit fester Stimme. Lange schon hatte er diesen Satz dem arroganten Kirchenfürsten entgegenschleudern wollen, jetzt bot sich endlich die Gelegenheit dazu.
»In Glaubensfragen und der Deutung des göttlichen Willens bin ich die oberste Autorität in den Ostlanden«, erklärte der Citarim so laut, dass alle Umstehenden es hören konnten. »Dieser Krieg ist ein götterbefohlener Feldzug gegen das Böse in Gestalt des Drachen und daher obliegt allein mir die Entscheidungsgewalt über das Vorgehen bei dieser heiligen Aufgabe. Ich habe den Oberbefehl über das Heer in Eure Hände gelegt, weil ich Euch vertraut habe, dass Ihr die Truppen in meinem und der Götter Sinne führen würdet. Doch Ihr habt schmählich versagt. Aus Ruhmsucht und Eigennutz wolltet Ihr nicht warten, bis ich mit den fliegenden Einheiten aus Kersilon eingetroffen bin, sondern seid Eurem eigenen Ehrgeiz folgend losgestürmt, ohne zu wissen, was Euch erwartet. Damit habt Ihr das Verderben über Euch und Eure Streiter gebracht und das Vertrauen, das in Euch gesetzt wurde, bitter enttäuscht. Ihr seid es nicht wert, noch länger das Schwert des Ecorim zu tragen, Ihr seid es nicht wert, noch länger der König unseres geliebten Landes zu sein.«
Nach dieser Äußerung herrschte zunächst gespenstische Ruhe zwischen den Mauern von Arch Themur. Dann begann sich ein leises Murmeln auszubreiten, das zunehmend anschwoll und über den ganzen Festungsplatz schwappte, bis auch der Letzte erfahren hatte, welch ungeheuerlichen Ausspruch der Citarim gerade getan hatte.
Arden schwieg eine Weile und starrte sein Gegenüber ausdruckslos an. »Vielleicht habt Ihr recht«, sagte er schließlich zur allgemeinen Überraschung. »Ich habe einen schweren, unentschuldbaren Fehler begangen, der mehr Menschenleben gekostet hat, als ich ertragen kann. Ich muss dafür geradestehen, soweit ich das vermag.« Er sah sich zu seinen Leuten um, die sich mit schreckensbleichen Gesichtern am Tor zusammendrängten. Dann wandte er sich wieder an den Citarim. »Können wir unter vier Augen sprechen, Eure Heiligkeit?«
Mit einem herrischen Wink verscheuchte der Kirchenfürst, ohne zu zögern, seine Reitereskorte und entfernte sich mit Arden einige Schritt weit vom Tor der Festung, sodass sie nicht mehr belauscht werden konnten.
»Wenn von mir verlangt wird, die Krone aufzugeben, werde ich das tun«, eröffnete ihm Arden mit gedämpfter Stimme. »Auch Ecorims Schwert werde ich einem Würdigeren, als ich es bin, übertragen, wenn dies Eurem Wunsch entspricht. Mir stellt sich allerdings die Frage, wer mein Nachfolger sein soll. Ich habe keinen Erben, wie Ihr wohl wisst, also wer soll diese Bürde an meiner Stelle tragen?«
Selbst den Citarim schien dieses plötzliche Einlenken Ardens unvorbereitet zu treffen und er benötigte einen Augenblick, um sich auf die neue Situation einzustellen. »Niemand«, entgegnete der Glaubensführer dann ernst. »Euer Thron wird nicht wieder besetzt. Alle weltliche wie geistliche Macht liegt fürderhin bei der Kirche und niemandem sonst.«
Arden nickte, als hätte er dergleichen bereits erwartet. »Und Ecorims Schwert?«
Torion Menaurain musterte ihn herablassend. »Diese Klinge, die Ihr so profan als ›Ecorims Schwert‹ bezeichnet, ist die heilige Klinge, die Eurem Vater Ecorim bei der Schlacht um Arch Themur von den Göttern selbst überreicht wurde. Ihr Name lautet Fendralin, das Licht der Menschen. Nur mit diesem Schwert konnte Ecorim obsiegen. Doch unglücklicherweise könnt Ihr Euch als Feldherr in keiner Weise mit Eurem Vater messen. Deshalb ist es nur konsequent, wenn Fendralin wieder zurückkehrt in den Schoß, dem es entstammt. Ich werde es an mich nehmen, in meiner Funktion als höchster Vertreter der heiligen viergöttlichen Kirche, die den Arm der Götter in der Welt der Sterblichen darstellt.«
»Alle Macht in einer Hand«, murmelte Arden und seine Finger schlossen sich um den Knauf seines Schwertes. Dessen Name lautete also Fendralin und nicht Cor, wie er immer gedacht hatte. Allerdings hatte er schon immer geahnt, dass sich
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