Götterschild
mit der Schwester des Königs Noran Karwander. Es ist alles andere als eine Schande, von ihm abzustammen.«
»Karwander war der erste Fardjani auf dem Thron von Citheon«, erwiderte der Citarim, der anscheinend großes Interesse daran hatte, Arden seine mindere Abstammung zu verdeutlichen. »Als die Königsdynastie der Menschen ausstarb, erachtete die Kirche den Zeitpunkt für gekommen, einen der ihren, einen Fardjan-Torion, zum neuen Thronerben zu erklären. So wurde die Familie Karwander das neue Herrschergeschlecht. Doch dies erwies sich als schlechte Wahl. Nicht nur, dass Noran Karwander keine Nachkommen hinterließ, sondern seine Schwester Narwenna besaß die unglaubliche Dreistigkeit, einen Menschen zum Mann zu erwählen: Euren Großvater. Es ist den Fardjan-Torion streng untersagt, sich mit minderem Blut zu verbinden, aber sie setzte sich einfach über dieses Verbot hinweg – ein unglaublicher Frevel. Diesem schändlichen Verstoß gegen die Gesetze unseres Volkes verdankt Ihr Eure Existenz. Das Wort ›beschmutzen‹ beschreibt diesen Umstand daher recht exakt, wie ich meine.«
»Aber Ihr selbst habt mich doch zum König von Citheon gekrönt«, wandte Arden ein. »Warum habt Ihr das denn getan, wenn ich in Euren Augen so ›beschmutzt‹ bin?«
»Ihr solltet lediglich den ungläubigen Kirchenfeind Jorig Techel ersetzen.« Der Hochmut quoll bei diesen Worten förmlich aus den starren Augen des Kirchenfürsten hervor. »Bis die Fardjan-Torion die Macht übernehmen konnten, brauchten wir jemanden, den die Menschen bereitwillig als ihren Herrscher akzeptierten und der zugleich leicht manipulierbar war. Ihr wart wie für diese Aufgabe geschaffen.«
Arden erbleichte. Er hatte ja schon lange geahnt, dass die Kirche ihn in ihrem Sinne benutzte, aber es so direkt ins Gesicht gesagt zu bekommen, erschütterte ihn nun doch zutiefst. Gleichzeitig beschlich ihn ein schrecklicher Verdacht. Aber der Gedanke war so ungeheuerlich, dass es ihm schwer fiel, ihn laut auszusprechen. »Dann …«, er zögerte und suchte nach Worten, »… war es also von Anfang an geplant, mich als Herrscher alsbald abzulösen? Es fehlte Euch nur der geeignete Anlass … Ihr habt lediglich darauf gewartet, dass ich einen Fehler begehen würde. Ich sollte Schande über mein hohes Amt, den guten Namen meiner Familie und mich selbst bringen, damit Ihr mir die Macht wieder entreißen könnt, ohne dass dies nennenswerte Proteste in der Bevölkerung nach sich zieht – hab ich nicht recht?«
Der oberste Glaubensführer berührte mit den Fingerspitzen das goldene Sonnenzeichen auf seiner Stirn. Seine Augen weiteten sich, sodass das Weiß seiner Augäpfel unangenehm hervortrat. Die Lider zuckten. »Oh nein, Arden Erenor«, sagte er mit bedrohlich gesenkter Stimme. »Ich habe nicht gewartet, bis Ihr einen Fehler begeht. Ich habe dafür gesorgt, dass Ihr genau zum rechten Zeitpunkt den Untergang der gesamten Streitmacht des Menschenvolks verursacht. Dazu hatte ich Euch ausersehen und Ihr habt Eure Aufgabe mit Bravour gemeistert. Es spielt jetzt keine Rolle mehr, ob irgendwer mit Eurer Absetzung nicht einverstanden ist. Denn selbst wenn Euch die Menschen nicht dafür verfluchen sollten, was Ihr ihnen angetan habt, es gibt jetzt keine Armee mehr, die groß genug wäre, damit Ihr Euer Recht durchsetzen könnt.«
Die Knie des jungen Erenors verwandelten sich in Wachs. Er spürte plötzlich die ganze Last der Erkenntnis auf seinen Schultern wie ein Bündel Mühlsteine. Bei der katastrophalen Niederlage gegen den Drachen handelte es sich nicht um das Ergebnis einer Verkettung unglücklicher Umstände und Fehlentscheidungen, sondern sie war vom Citarim bewusst herbeigeführt worden. Malun hatte Arden im Auftrag des Kirchenoberhaupts gezielt in diese Richtung getrieben, hatte geschickt den Ehrgeiz des Königs angestachelt und das in den Jahren seiner Regentschaft stetig gewachsene Bedürfnis nach Eigenbestimmung ausgenutzt. Er hatte ihm vorgegaukelt, der Citarim halte sich noch für unabsehbare Zeit in Tilet auf, um auf die Flugwölfe zu warten. Zudem hatte Malun ihm wichtige Informationen über die Kräfte des Drachen vorenthalten und ihn glauben lassen, selbst nicht mit dem zögerlichen Verhalten des Kirchenfürsten einverstanden zu sein. Alles erwies sich jetzt als ein wohldurchdachtes Gebilde aus Täuschung und Lügen.
Die Schmach über seinen Mangel an Weitblick und kritischem Verstand, über die Leichtigkeit, mit der er sich an der Nase hatte
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