Götterschild
herumführen lassen wie ein Ochse auf dem Jahrmarkt, begann nun an Arden zu fressen, raubte seine Kraft, wie es nicht einmal die Entbehrungen der letzten Tage vermocht hatten. Er machte einige taumelnde Schritte auf seine wartenden Männer am Tor zu, dann knickte sein linkes Bein weg und er fiel auf die Knie. Kommandant Fadwen eilte ihm sofort mit zwei weiteren Soldaten entgegen, um ihn aufzufangen.
»Alles in Ordnung, Majestät?«, erkundigte sich der Offizier besorgt.
»Nein«, stöhnte Arden, »rein gar nichts ist in Ordnung. Ich bin ein leichtgläubiger, selbstsüchtiger Narr. Ich habe Euch alle ins Verderben gerissen.«
Der Kommandant half ihm wieder auf die Beine und streifte das Kirchenoberhaupt mit einem grimmigen Blick, ehe er sich seinem König zuwandte. »Ich verstehe nicht genau, was hier vor sich geht, Majestät, und ich weiß nicht, was Seine Heiligkeit zu Euch gesagt hat. Ich will nicht bestreiten, dass wir schwere Verluste erlitten haben und dass die Dinge nicht gerade zu unserem Besten stehen.« Er wies ins Innere der Festung. »Dennoch verdankt Euch fast jeder Zweite dort drinnen sein Leben und wenn Ihr die Männer fragen würdet, was sie über ihren König denken, dann bekämet Ihr keine der Bezeichnungen zu hören, die Ihr gerade genannt habt. Es würden vielmehr Worte wie Mut, Aufopferung und Verantwortung fallen, dessen könnt Ihr sicher sein.«
Erstaunt erwiderte Arden den Blick des Kommandanten, so als habe dieser gerade etwas völlig Abwegiges geäußert.
»Wir stehen alle hinter Euch, Majestät«, sagte einer der Soldaten, den Arden als Jerbald aus Warrun erkannte. »Der Citarim hat nicht das geringste Recht, Eure Krone einzufordern.«
In diesem Moment wurde Arden schlagartig klar, dass er seine Schuld nicht dadurch würde sühnen können, dass er auf die Königswürde verzichtete, denn es ging hier längst nicht mehr um ihn. Es ging um die Menschen, die er anführte, vielleicht ging es sogar um alle Menschen der Ostlande. Sein Verstand war im Augenblick nicht in der Lage, das ganze Ausmaß der kirchlichen Verschwörung zu erfassen, aber er begriff sehr gut, dass der Citarim nichts Geringeres anstrebte als eine grundlegende Neuordnung der bekannten Welt, bei der den Menschen bestenfalls ein Dasein als Sklaven beschieden sein würde.
Arden bemühte sich, seine zitternden Knie wieder unter Kontrolle zu bringen, nickte Fadwen und Jerbald dankbar zu und zwang sich dazu, erneut vor den Citarim hinzutreten, der die Szene mit abfällig nach unten gezogenen Mundwinkeln verfolgt hatte.
»Erwartet Ihr im Ernst, dass ich jemandem wie Euch die Macht über die Ostlande überlasse?« Der Zorn, welcher sich die ganze Zeit über in Arden gesammelt hatte, verlieh seiner Stimme nun Kraft, obwohl er innerlich kurz vor dem Zusammenbruch stand. »Jemandem, der ohne Skrupel, nur zur Mehrung der eigenen Macht, Hunderttausende Leben opfert?«
Der Citarim ließ sich jedoch durch Ardens lautstarke Anschuldigung nicht aus der Fassung bringen und reagierte äußerst beherrscht. »Ihr macht es Euch zu einfach«, antwortete er, »aber dass Euer beschränkter Menschenverstand nicht das ganze Bild zu sehen vermag, wundert mich wenig. Die göttlichen Naurain, unsere Schöpfer, verließen diese Welt nicht nur, weil der Drache sie vertrieb. Sie wandten sich von uns ab, weil die Menschen sich auf ein zutiefst verwerfliches Bündnis mit der Echse, dem Urquell allen Übels, eingelassen hatten. Ausgerechnet die Menschen, ihre zweite Schöpfung nach den Themuraia, welche sie hoffnungsvoll ›Fendi‹ –,Freunde’ – genannt hatten, entschieden sich, gegen ihre Erschaffer Krieg zu führen! Das war der Hauptgrund für den Exodus der Göttlichen. Diese Schuld lud das Menschengeschlecht in jenen Tagen auf sich und davon kann es sich nur wieder reinwaschen, wenn die Naurain ihnen Vergebung gewähren. Doch dazu muss das gottgleiche Volk zunächst wieder in die Ostlande zurückkehren und das wird erst geschehen, wenn die Frevler von damals eine angemessene Strafe erhalten haben. Deshalb muss der Drache sterben. Ebenso wichtig ist es aber, dass den Menschen die Führung der Ostlande entrissen wird, dass sie ihre von den Naurain vorgesehene Stellung als Diener der Fardjani wieder einnehmen und dass sie eine ausreichende Opferbereitschaft im Kampf gegen den Drachen an den Tag legen. Ihr solltet eigentlich dankbar dafür sein, dass sich die Fardjan-Torion so sehr darum bemühen, diese Voraussetzungen für eine Begnadigung des
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