Götterschild
und Geschichten ausgedacht hat, schmälert das doch nicht die Güte der Göttin, die mich jetzt deine Hand an meiner Wange spüren lässt. Die viergöttliche Kirche mag eine einzige große Lüge sein, doch die Götter sind es nicht. Wenn du ihr Wirken in der Welt sehen willst, musst du nur die Augen öffnen.«
»Ich sehe dich, die Mutter meines Sohnes, das genügt mir.« Arton lächelte. »Dein Vertrauen in die Götter ist wahrlich bewundernswert, wenn ich es auch nicht ganz teilen kann. Dennoch hast du recht. Alles, wofür es sich zu kämpfen lohnt, befindet sich innerhalb dieser Mauern.«
Für einen Moment genossen sie es, einfach nur schweigend nebeneinander zustehen.
Schließlich fragte Arton: »Was habt ihr mit Hador gemacht?«
»Oh, es gab noch einen ziemlichen Tumult«, berichtete Tarana. »Sie versuchten, ihm noch eine ganze Reihe von Fragen zu stellen, aber er hat hauptsächlich gegen den Drachen und unseren Plan, ihn zu rufen, gewettert. Das Einzige, was sie sonst noch aus ihm herausbekamen, war der Grund seines Überlebens. Offenbar konnte ihn Ecorim während ihres letzten Duells bei der Einnahme Arch Themurs nicht niederringen, wie immer behauptet wurde, sondern sie waren sich ebenbürtig und brachen den Kampf schließlich aus Erschöpfung ab. Hador hat mehrfach wiederholt, dass er das Blutvergießen, das er mit dem Schwert Themuron angerichtet hatte, sehr bereut, weil er doch zum Bewahrer der Götterklingen auserkoren war, der eben dies hätte verhindern sollen. Deshalb überließ er damals Ecorim freiwillig das Schwert Themuron und erbat von diesem nur, ihn für tot zu erklären. Danach hat er sich in den Katakomben der Festung verborgen, bis die Eroberer abgezogen waren. Aus Furcht vor dem Drachen hat er sie seither nie wieder verlassen. Kaum zu glauben, findest du nicht?«
»Vielleicht hat es der Drache ja wirklich auf ihn abgesehen«, meinte Arton schulterzuckend. »Ich kann mir gut vorstellen, dass die Echse einen gewaltigen Groll gegen das Haus Ikarion hegt.«
»Du und Arlion, ihr gehört zur gleichen Familie«, gab Tarana zu bedenken. »Und, den Göttern sei Dank, hat der Drache euch beide bisher verschont. Vielleicht leidet Hador nach all den Jahren auch einfach nur an Verfolgungswahn.«
»Oder nicht einmal der Drache wusste von meiner Existenz«, entgegnete Arton. »Immerhin erfuhr kaum jemand, dass meine Mutter Siva – beziehungsweise Sivalin, wie laut Hador ihr Name lautete – bereits schwanger war, als sie sich von Hador abwandte und die Festung verließ.«
»Das stimmt«, bestätigte Tarana. »Hador wusste wohl davon, denn für ihn schien es keine große Überraschung zu sein, dass du sein Sohn bist. Ansonsten kannten das Geheimnis außer Siva selbst nur noch Ecorim und Maralon und alle drei nahmen es mit sich ins Grab.«
»Was wurde eigentlich wegen des Drachenamuletts beschlossen?«, wechselte Arton das Thema.
»Bis auf Meatril haben es alle als zu gefährlich angesehen, damit einen Versuch zu unternehmen, den Drachen zu rufen. Dafür infrage kämen ja nur du oder Arden, doch es weiß niemand von uns, ob ihr dem Geist des Drachen wirklich standhalten könntet. Und selbst wenn, wäre es immer noch möglich, dass der Drache sich entschließt, uns mitsamt dem Citarim vom Antlitz dieser Welt zu fegen.« Tarana seufzte. »Also durfte Thalia das Amulett vorläufig behalten, sie musste mir aber bei der Göttin schwören, dass sie nicht versucht, es zu benutzen. Und als schließlich klar war, dass wir nicht die Absicht haben, den Drachen heraufzubeschwören«, fügte sie noch ein wenig spöttisch hinzu, »hat sich auch Hador ganz schnell wieder beruhigt. Er verlangte dann vehement, zurück in seine unterirdische Behausung gebracht zu werden, damit er seine Ruhe vor uns ›Eindringlingen‹ hat.«
»Mein Vater«, brummte Arton kopfschüttelnd vor sich hin, als könne er es immer noch nicht glauben. »Merkwürdige Schicksalsfügung.«
Die Stille der Nacht umfing sie erneut. Lange standen sie eng umschlungen auf der eisenbewehrten Mauerkrone und blickten zwischen den zackigen Zinnen der Festung hinab auf die lichtergesprenkelte Ebene.
»Was erwartet uns morgen?«, fragte Tarana leise.
»Eine Menge Klingen, die an unser notdürftig instand gesetztes Tor klopfen werden, so viel ist sicher.«
»Können wir denn gewinnen?« Sie klang auf einmal alles andere als zuversichtlich.
Arton strich ihr sanft übers Haar. »Wir sind ihnen zahlenmäßig weit unterlegen, unser Tor gerät schon bei
Weitere Kostenlose Bücher