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Götterschild

Titel: Götterschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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den Zelten umher wie ein aufgescheuchter Schwarm Glühwürmchen. Angesichts dieser unverkennbaren Betriebsamkeit konnte kaum ein Zweifel daran bestehen, dass sich die Kirchentruppen bereit machten, im Morgengrauen anzugreifen.
    Aber im Moment blieb für diese heraufziehende Gefahr nur wenig Raum in Artons Geist. So vieles war in so kurzer Zeit geschehen, so vieles, das er nicht für möglich gehalten hatte. Tarana lebte. Er hatte einen Sohn. Er war gerade seinem leiblichen Vater, dem einstigen Herrscher von Skardoskoin, begegnet. Und er folgte nicht länger dem Citarim, sondern hatte sich seinem bislang verhassten Bruder Arden angeschlossen. Das alles war zu verwirrend, zu groß und einiges davon – das musste er sich eingestehen – auch zu beängstigend, um damit auf einmal fertig werden zu können. Also tat er das Einzige, was ihm übrig blieb, wenn er nicht unter der Last dieser Erkenntnisse zusammenbrechen wollte: Er nahm die Dinge an, wie sie waren. Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit hinterfragte er nicht, er zweifelte nicht und er suchte auch keine Ausflüchte. Denn schon morgen konnte er tot sein. Aber selbst wenn das geschah, stand eines fest: Er würde in der Gewissheit sterben, dass Tarana ihn immer noch liebte. Er war nicht schuld an ihrem Tod, wie er so lange geglaubt hatte. Das erste Mal seit jener Nacht, in der seine Kriegerschule ein Raub der Flammen geworden war, fühlte er sich frei – frei von Schuld. Dieses Geschenk hatte ihm nur Tarana machen können.
    Mit seiner Schuld war auch sein Zorn verraucht, der ihn bislang als beständiges, zehrendes Brennen in seinem Inneren überall hin begleitet hatte und sogar zu einer wesentlichen Triebfeder seines Handelns geworden war. Nun konnte er nicht länger zürnen. Er war es leid. Nicht einmal gegen Arden hegte er noch irgendwelchen Groll. Sein Bruder war ohnehin genug vom Schicksal gestraft worden und vor dem Hintergrund all dieser Ereignisse mutete ihr Geschwisterzwist kleinlich und fruchtlos an. Ihnen gemeinsam oblag nun eine weit größere Aufgabe und vielleicht das erste Mal in ihrem Leben hatten sie das gleiche Ziel. Seltsamerweise war das ein gutes Gefühl, als hätte es schon immer so sein sollen.
    »Ich verstehe ja nicht viel von dieser Fähigkeit, die ihr Geistsprache nennt«, hörte Arton unversehens Taranas sanfte Stimme neben sich. »Aber es scheint, du kannst sie nicht sonderlich gut unter Kontrolle halten, wenn du so aufgewühlt bist wie jetzt. Thalia musste deine Gedanken nicht lange suchen, bis sie mir verraten konnte, wo du steckst.«
    »Die Kleine hat bemerkenswerte Fähigkeiten«, erwiderte Arton anerkennend. »Vielleicht hatte ich ja gehofft, dass sie mich findet. Ich habe es so satt, ständig vor dem, was ich bin, davonzulaufen.«
    Tarana legte eine Hand auf seine Schulter. »Das brauchst du auch nicht mehr«, sagte sie nachdrücklich. Ihre Nähe ließ ihn zur Ruhe kommen. »Viele Dinge scheinen nicht so zu sein, wie sie uns weisgemacht wurden. Wer kann sich da noch ein Urteil erlauben, was gut und was böse ist, wer recht oder unrecht hat. Ist Hador Badach ein bemitleidenswerter, verrückter Eremit oder der dunkle Schreckensherrscher von Arch Themur? Wer kann das sagen? Wahrscheinlich irgendetwas dazwischen – oder nichts von alledem. Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr.«
    »Es macht dir nichts aus, dass er mein Vater ist?«, fragte Arton erstaunt.
    »Für mich zählt nur das eine: dass wir wieder zusammengefunden haben«, bekannte Tarana. »Und Arlion hat jetzt einen Vater, das sind die Dinge, die wichtig sind. Wenn dieser Citarim glaubt, er könne mir dieses Quäntchen Glück, das ich mein Eigen nennen darf, einfach so wegnehmen, dann werde ich ihn mit der Klinge in der Hand eines Besseren belehren müssen – oder bei diesem Versuch in Xelos’ Hallen eingehen. So einfach ist das.«
    Arton berührte behutsam ihre Wange. »Nun, wenn wir uns nach dem richten, was Hador gesagt hat, dann müssen wir uns wohl an den Gedanken gewöhnen, dass es so etwas wie Xelos’ Hallen nicht gibt. Die Götter sind Erfindungen der Kirche. Für dich muss das noch weit schwerer zu akzeptieren sein als für mich, denn du hast deine Schutzgöttin Bajula weit mehr verehrt, als ich jemals irgendeinem der Himmelsherrscher zugetan war.«
    Tarana griff nach seiner Hand und hielt sie fest gegen ihr Gesicht gedrückt. »Ach, Arton. Bajula, Cit, Xelos, Kaloqueron, das sind doch nur Worte. Bloß, weil irgendein Kirchendiener sich ein paar falsche Namen

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