Götterschild
nämlich kurz vor ihrer Vernichtung. Ihm haben wir den Drachenbund zu verdanken, er vertrieb die sklavenhaltenden Naurain aus den Ostlanden und schuf das Reich Skardoskoin. Als Zeichen der Freundschaft überreichte der letzte Drache Caras eine von seinen Hornschuppen, eben jene, die an dem Hals dieses Kindes hängt.« Erwies auf Thalia. »Aber das wisst ihr ja schon, nicht wahr, sie hat es euch verraten.« Er warf ihr einen finsteren Blick zu, bevor er fortfuhr:
»Der eigentliche Verbrecher aber war Caras’ Bruder Torion Ikarion, denn er floh in den Süden und erdachte dort jenes Lügengebilde, das ihr heute als die viergöttliche Kirche kennt. Auf diese Weise schuf er für die dort lebenden Menschen und Fardjani die moralische Grundlage, gegen Caras’ Herrschaft aufzubegehren.« Zottelbart kratzte sich ausgiebig am Kopf. »Allerdings haben sich Caras’ Nachkommen irgendwann selbst den Todesstoß versetzt, indem sie vergaßen, was sie dem Drachen schuldig waren. Einer der ihren erschlug das Junge der großen Echse. Damit erlosch der Drachenbund und der zweite Drachenkrieg begann.«
»Elban Ikarion, der Drachentöter«, murmelte Arton.
»So ist es«, bestätigte der Einsiedler. »Vor dem Zorn des Drachen musste die Familie Ikarion mit den beiden Schwertern Themuron und Fendralin, die sie hüteten, hierher nach Arch Themur fliehen, denn diese Festung wurde noch von den Naurain errichtet, natürlich unter Aufbietung zahlloser Sklavenarbeiter aus den anderen Völkern. Sie war schon damals das einzige noch verbliebene Bauwerk in den Ostlanden, das tatsächlich Sicherheit vor den Drachen gewährte. Der Name der Festung Arch Themur bedeutet Götterschild und stammt noch von ihren Erbauern – den Naurain –, die den anderen Völkern auf diese Weise die eigene Göttlichkeit vorgaukelten.« Sein Blick geisterte für einen Moment ziellos durch den Raum, so als suche er nach dem Faden, den er gerade verloren hatte.
»Wegen der Zerstörungen durch den Drachen«, setzte er seine Version der Geschichte der Ostlande schließlich fort, »zerfiel das Reich Skardoskoin immer mehr. Gleichzeitig erstarkte Citheon im Süden und der Einfluss der Kirche auf den zunächst von Menschen besetzten Thron in Tilet wuchs.« Er wedelte unwillig mit der Hand. »Den Rest kennt ihr ja. Der kirchentreue Fardjani Noran Karwander erhielt die Krone von Citheon. Der Herrscher von Skardoskoin wollte diese Bedrohung durch den Aberglauben, welchen Torion Ikarion einst in die Welt gesetzt hatte, nicht länger hinnehmen und zog gegen den Süden in den Krieg. Die Inselherren haben sich auf Betreiben Ecorims eingemischt. Sivalin hat Ecorim das Schwert Fendralin überbracht. Deshalb ist Arch Themur gefallen, Themuron ging an Jorig Techel, Fendralin und die Drachenschuppe an Ecorim Erenor und die Kirche ging weitgehend leer aus. Mir will aber scheinen, dass sich dies inzwischen geändert hat, oder nicht?« Er sah provozierend in die Runde.
Lange erwiderte keiner etwas. »Das ist richtig«, meinte Arton schließlich in sich gekehrt, »der Citarim hält im Moment fast alle Fäden der Macht in Händen, einschließlich Themuron. Nur Fendralin befindet sich noch in unserem Besitz – und die Drachenschuppe. Das Kirchenoberhaupt nennt sich selbst Torion Menaurain, was, so weit ich die Sprache des Nordens verstehe, in etwa Torion, Sohn der Naurain heißt. Allein das lässt seine Absichten schon klar erkennen: Er will die alte Ordnung wiederherstellen – eine Ordnung, in der die Naurain die Herren, die Fardjani ihre ersten Diener und alle anderen Völker nicht mehr als Sklaven sind. Die Pläne, die der Citarim mir und Arden gegenüber geäußert hat, zielen alle darauf ab. Und es ist leider nur allzu offensichtlich, dass die Geschichte, wie sie unser Eremit hier erzählt hat, sich wunderbar mit dem Vorgehen der Kirche in dieser jahrhundertealten Auseinandersetzung in Einklang bringen lässt. Das bedeutet für einige von uns, besonders mich und meinen Bruder, dass wir lange Zeit auf der falschen Seite standen.« Bei dieser Feststellung spannte sich seine Kiefermuskulatur, als müsse er einen Stein durchbeißen.
Meatril, der sich bisher weitgehend aufs Zuhören beschränkt hatte, nickte düster. »Ich sehe es wie Arten. Wir stehen am Ende eines mehrere Äonen währenden Krieges. Unterliegen wir hier, triumphieren die Anhänger Torions, die willfährigen Diener der Naurain, endgültig über das Volk der Menschen. Dann müssen sie nur noch den letzten Drachen
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