Götterschild
angsterfüllten Augen ihres Bruders auf sich gerichtet, den ihr Schrei aus dem Schlaf gerissen hatte.
DER RUF DES FEUERS
D ie Ecorimkämpfer, Shyrali und etwa neunzig handverlesene Kämpen kauerten ungefähr in der Mitte zwischen dem Heerlager des Citarim und den schwindelerregend hohen Mauern Arch Themurs, von denen sie sich gerade abgeseilt hatten. Weiter wollten Arden und Arton sie nicht gehen lassen, aus Angst vor einer Entdeckung durch die Fardjani. Allen schlug das Herz bis zum Hals. Jeder wusste, was vom Erfolg ihres Vorhabens abhing.
Arton hob abrupt den Kopf, so als hätte er etwas gehört. Arden und Targ, die direkt neben ihm lagen, bemerkten, wie sich sein Körper kurzeitig anspannte. Er richtete sich halb auf, sodass ihn Meatril schon beinahe wieder in Deckung zerren wollte, und murmelte: »Sie haben uns entdeckt.«
Der Schrecken, den diese Feststellung mit sich brachte, fuhr zwischen sie wie ein Raubtier in eine Viehherde. »Was?«, fragte Targ ungläubig. »Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es einfach«, beharrte Arton. »Mir fehlt die Zeit, das jetzt zu erklären. Aber glaubt mir, der Citarim hat von unserem Plan erfahren.«
»Und was jetzt?«, zischte Meatril ihnen zu. »Sollen wir zurück?«
Arden antwortete nicht gleich. Von dem Gedankenwechsel zwischen Thalia, dem Citarim und Arton hatte er zwar nichts mitbekommen, dafür konnte er umso deutlicher die Befehle vernehmen, die der Citarim seinen Fardjani in der Geistsprache erteilte. Er warnte sie vor dem bevorstehenden Angriff und wies ganz besonders nachdrücklich darauf hin, dass irgendwo eine kleinere Einheit in das Fardjanilager einzudringen beabsichtige, was unter allen Umständen zu verhindern sei. Arden war erschüttert. Spätestens damit war für ihn jeder Zweifel an der Wahrheit von Artons Worten ausgeräumt. Trotzdem schüttelte er langsam den Kopf. »Wir bekommen keine zweite Chance«, sagte er entschlossen. »Und zum Fliehen ist es jetzt ohnehin zu spät.«
Gerade in diesem Moment donnerten die ersten Istanoit auf ihren kleinen Steppenpferden aus dem Eingang der ehernen Feste hervor, um wie vereinbart die Aufmerksamkeit der Fardjani auf sich zu ziehen.
Arden sog zischend die Luft durch die Zähne. »Das Ablenkungsmanöver wird kaum die erhoffte Wirkung zeigen. Dennoch können wir vielleicht noch ein Stück weit ins Lager vorstoßen, wenn wir sofort angreifen, bevor sich die Fardjani organisiert haben.« Arden sah fragend zu Arton, so als erhoffe er sich dessen Zustimmung. Sein Bruder erwiderte den Blick und nickte. Niemand widersprach. Einen Herzschlag später stürmten sie los.
»Ich habe … ich habe … ich habe …«
»Nun beruhige dich doch erst einmal, mein Kind«, versuchte Nataol, der stotternden Thalia Einhalt zu gebieten. »Ich verstehe ja kein Wort.«
»Ich habe … etwas ganz Schlimmes gemacht!«, schrie sie ihm vollkommen außer sich entgegen. »Du …, ich meine, Ihr seid der Einzige, der mir helfen kann.«
Arlion schmiegte sich währenddessen eng an seine wild gestikulierende Schwester, die die vielen Hundert Verwundeten um sie herum gar nicht zu bemerken schien. Das Feldlazarett, in dem Nataol arbeitete, war wahrlich kein Ort für Kinder, schon gar nicht nach solch einer blutigen Schlacht wie am heutigen Tag und um diese nachtschlafende Zeit. Aber alleine in seinem Zelt hätte Arlion um nichts in der Welt bleiben wollen, also war er seiner Schwester gefolgt, als diese vorhin ohne Erklärung davongelaufen war.
»Aber, aber«, beschwichtigte der betagte Priester, »so schrecklich wird es doch nicht sein.« Er wischte sich mit einem schmutzigen Tuch Gesicht und Hände ab, dann griff er nach einer Öllaterne, die auf einem Tisch in der Nähe stand. Erst im Licht der Lampe erkannten die Kinder bestürzt, dass es kein gewöhnlicher Schmutz war, den sich Nataol abgeputzt hatte, sondern Blut.
»Gehen wir ein Stück in Richtung der Zelte«, schlug Nataol vor, »eine kleine Pause wird mir gut tun. Dann könnt ihr mir alles in Ruhe und an einem angenehmeren Ort als diesem erzählen.« Die Kinder folgten, doch Thalia hielt es nicht mehr aus. Bereits nach wenigen Schritten begann es, aus ihr herauszusprudeln, und sie berichtete dem Priester, was zuvor in ihrem Kopf vor sich gegangen war.
Nachdem sie geendet hatte, wiegte Nataol bedächtig sein Haupt hin und her. »Das ist in der Tat sehr besorgniserregend«, murmelte er vor sich hin.
»Aber ich verstehe nicht«, meinte Thalia voller Verzweiflung,
Weitere Kostenlose Bücher