Götterschild
auf den Drachenleib. Dann setzte er hinzu: »Doch Shyrali hat Daia unter einem zusammengestürzten Zelt entdeckt. Sie lebt.«
Lange schwieg Arden. »Arton?«, fragte er schließlich.
»Ja?«
»Denkst du, es gibt wirklich keine Götter?«
»Ich weiß es nicht. Tarana glaubt noch an sie.«
»Ich dachte nur, wenn Xelos’ Hallen nicht existieren, so weiß ich gar nicht, wohin ich gehen werde.« Ardens Griff wurde fester. Angst zeichnete sich in seinem blutleeren Gesicht ab.
»Wie auch immer das Jenseits aussehen mag, du erhältst dort einen Ehrenplatz«, versicherte Arton. »In jeder Welt werden Helden willkommen geheißen.«
»Ich bin kein Held.« Ardens Körper spannte sich für einen Moment, dann fiel er wieder in sich zusammen. »Helden sind etwas für Kinder. Du kannst ein Held für deinen Sohn sein, solange er noch klein ist. Darum beneide ich dich.«
Arton schluckte. »Das brauchst du nicht. Denn auch du hast ein Kind, das zu dir aufschauen wird für das, was du hier vollbracht hast.«
Arden zog die Stirn in Falten. »Was redest du da, Bruder?«
»Kannst du dich noch an Belena Sogwin aus Seewaith erinnern?«, fragte Arton. »Sie ist die Mutter der kleinen Thalia, die als Vierjährige zu uns in die Kriegerschule kam und die du hier in der Festung wiedergetroffen hast.«
»Belena.« Der Name drang nur noch röchelnd aus Ardens Kehle. »Thalias Mutter?«
»Ja, und du bist ihr Vater.«
Die Zweifel, die Ardens Gesicht überschatteten, wichen langsam einem staunenden Begreifen.
»Und ich verspreche dir, Bruder«, erklärte Arton feierlich, »dass ich persönlich dafür sorgen werde, dass sie deine Krone erhält, sobald sie alt genug ist. In ihr wird Ecorims Erbe weiterleben.«
Arden nickte langsam. Ein letztes Lächeln kräuselte seine Lippen, dann trat er die lange Reise ins Unbekannte an. Voller Trauer senkten alle Umstehenden das Haupt. Ihr König hatte sie verlassen.
WAFFENRUHE
B is zum Abend hatte sich bereits eine stattliche Anzahl der Bewohner Skardoskoins aus dem näheren Umland auf dem Schlachtfeld eingefunden, um die Leiche des gefallenen Drachen mit eigenen Augen zu sehen. Die Feuerblitze und das Donnern des Luftkampfes zwischen der Echse und den Flugwölfen hatten in der vergangenen Nacht noch in vielen Meilen Entfernung die Menschen aus dem Schlaf gerissen. Skardoskoin war kein dicht besiedeltes Land, besonders nicht in der Umgebung der ehernen Feste, dennoch gab es hier und da einsame Weiler oder kleine Dörfer, deren Bewohner Zeugen dieser wundersamen Ereignisse am Nachthimmel geworden waren. Deshalb pilgerten sie nun in kleinen Gruppen vor die eherne Feste, denn selbst diejenigen, die am Fuß des Gebirges wohnten, hatten den dunklen Schatten der riesigen Echse am Himmel vorübergleiten sehen. Doch um was es sich dabei tatsächlich handeln mochte, war allenfalls Stoff abenteuerlicher Spekulationen gewesen. Die wahre Natur des Drachen übertraf dann allerdings jede noch so gewagte Vermutung.
Aber auch aus einem weiteren Grund waren sie gekommen. Es hatte sich herumgesprochen, dass der König von Citheon vor den Mauern Arch Themurs aufgebahrt lag. Obwohl den Skardoskoinern der Herrscher des Südens noch zu Techels Zeiten eher als Unterdrücker verhasst war, begann sich ihre Einstellung aufgrund von Ardens Kampf gegen die Vorherrschaft der Kirche und ihres Oberhaupts, des Citarim, grundlegend zu wandeln. Die Geschichte seines furchtlosen Zweikampfs in dem Götterurteil gegen den auserwählten Streiter der Kirche hatte sich wie ein Flächenbrand von Arch Themur aus über Skardoskoin verbreitet. Wer genau damit begonnen hatte, die Ereignisse weiterzugeben, blieb im Dunkeln. Vielleicht waren es einige Angehörige des kirchlichen Heerestrosses gewesen, vielleicht ein desertierter Soldat oder auch nur ein heimlicher Augenzeuge. Jedenfalls trugen nun Wanderer, Barden und Händler die Berichte über die zweite Schlacht bei Arch Themur selbst in die entlegendsten Winkel des riesigen Landes und je öfter man sich die Ereignisse erzählte, desto mehr wurde Arden darin zu einem mythischen Helden, der für alle Menschen der Osdande gegen die Bedrohung durch die vom Citarim angeführten Fardjani eingetreten war. Sein Tod machte ihn für immer zum Märtyrer.
Am Morgen des dritten Tages nach der Schlacht versammelten sich die Gefährten ein letztes Mal in Ardens Zelt im Inneren der Festung, die mittlerweile weitgehend ausgestorben wirkte. Die Einzigen, die sich sonst noch im Inneren der
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