Götterschild
sah zu seinem verstörten Priester hinüber. »Malun hat das begriffen. Er ist ein eloquenter Redner und zeichnet sich durch verschiedene Begabungen aus, die im Dienste des Herrn Cit als sehr wertvoll erachtet werden müssen. Aber er legt auch einige recht offensichtliche Schwächen an den Tag, weshalb sich sein Charakter dem meinen als unterlegen erweist. Ihm ist das bewusst und er ordnet sich unter.« Konzentriert zog der Citarim seinen Arm wieder aus dem Käfig. Darauf thronte ein etwa taubengroßer, langbeiniger Vogel mit einem so außergewöhnlichen Gefieder, wie es Megas noch nie gesehen hatte. Irisierende Lichtkaskaden liefen über jede einzelne Feder des Tieres, als ergieße sich dort ein Wasserfall aus Farben. Der Iroxin sträubte angriffslustig seine langen Nackenfedern, sodass sich ein sonnenartiger Kranz um den Kopf bildete. Er fauchte drohend, ohne dabei aber Anstalten zu machen, den Arm des Citarim zu verlassen. Stattdessen öffnete und schloss das Tier immer wieder abwechselnd seine Greifklauen und mit jedem Mal bohrten sich die Krallen tiefer in die Haut des Kirchenoberhaupts. Der Arm des Citarim färbte sich an diesen Stellen bereits feuerrot, doch mit keiner Miene verriet er etwaiges Unbehagen oder gar Schmerzen.
»Kennt Ihr Euren Platz in der göttergegebenen Ordnung, Megas Arud’Adakin?«, fragte der Citarim prüfend.
Megas musste seine ganze Selbstkontrolle aufbringen, um die Augen von dem beeindruckenden Vogel abzuwenden. Er versuchte, die verheerende Wirkung, die das Gift auf dem Arm des Citarim entfaltete, zu ignorieren. Obwohl der Inselherr noch gut zwei Schritte entfernt stand, konnte er bereits die Blasen sehen, die sich auf der Haut seiner Heiligkeit bildeten.
»Ich glaube nicht an eine göttliche Ordnung«, entgegnete Megas mit fester Stimme. »Jeder nimmt den Platz ein, den er sich erkämpft hat.«
»Ist das so?«, erkundigte sich Torion, während er bewundernd den prächtigen Vogel auf seinem Arm betrachtete. »Ich wünschte wirklich, Ihr könntet dieses schillernde Gefieder einmal aus der Nähe sehen. Das Farbenspiel ist einfach unvergleichlich, wenn man im richtigen Winkel darauf blickt. Aber dazu müsstet Ihr den Sonnenläufer natürlich auf Euren eigenen Arm nehmen, nur dann lässt sich die wahre Schönheit dieser Kreatur erfassen. Ich vermute allerdings, das wagt Ihr nicht, denn wenn der Iroxin nur ein einziges Mal den Giftdorn an der Spitze seiner Zunge in Euer Fleisch treibt, dann seid Ihr verloren.«
Megas’ Kiefer begannen zu mahlen. Er wusste genau, dass der Citarim ihm eine Falle stellte, denn wenn er sich auf dessen Vorschlag einließ, konnte dies sehr leicht seinen Tod bedeuten. Weigerte er sich hingegen, hätte der Citarim seine Überlegenheit in beeindruckender Weise demonstriert. Einen solchen Gesichtsverlust wollte Megas nicht hinnehmen. Immerhin schien der Vogel im Moment ganz ruhig zu sein und seine angeblich so tödliche Zunge hatte das Tier ebenfalls noch nicht einzusetzen versucht. Also galt es allenfalls, die durch die giftigen Krallen hervorgerufenen Schmerzen zu erdulden, und das hielt Megas für durchaus machbar. Schließlich war er ein Kämpfer und hatte gelernt, körperliche Pein klaglos zu ertragen, ja, es stand sogar zu vermuten, dass er darin weit geübter war als dieser heilige Stubenhocker. Je mehr er darüber nachdachte, umso verlockender erschien Megas diese Möglichkeit. Er wollte dem arroganten Glaubensmann beweisen, dass er aus einem Holz geschnitzt war, welches sich weder unter dem Gewicht der kirchlichen Machtfülle verbog noch von Schmerz oder Furcht gebrochen werden konnte. Ein solch triumphales Zeugnis seiner Unbeugsamkeit könnte in erheblichem Umfang dazu beitragen, das Kräftegleichgewicht zwischen ihm und dem Citarim wieder zu seinen Gunsten zu verschieben. Die durch die Vogelkrallen verursachten Wunden an Megas’ Arm würden dagegen bald wieder heilen und keinen dauerhaften Schaden anrichten.
»Gebt ihn mir«, sagte Megas betont gelassen und schob seinen Ärmel zurück, da er den Vogel auf die gleiche Weise tragen wollte wie der Citarim.
Dieser stand langsam auf, was der Iroxin mit aufgeregtem Wippen quittierte, und trat Megas gegenüber. Die unergründlichen Augen des Kirchenfürsten blieben dabei unablässig auf den Vogel gerichtet. Torion streckte seinen Arm aus und hielt den Iroxin vor Megas’ entblößten Unterarm. Nervös drehte der Sonnenläufer den Kopf hin und her, stellte seinen Kamm auf und fauchte wie eine in die
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