Götterschild
Hand. »Also dann, bis irgendwann.«
»Ja, genau«, brachte der Kersilone endlich eine Antwort zustande und umfasste Rais Rechte mit beiden Händen. »Ich soll dir auch noch von Resa Grüße bestellen. Wie es scheint, mag sie dich wirklich, und das ist selten bei ihr. Da ähnelt sie ihrem Herrn.« Ein warmes Lächeln überzog Oibrins wettergegerbtes Gesicht, dann wandte er sich um und widmete sich seinen unverhofften, neuen Besitztümern.
Auch Chariuk kam herbei, um Rais Hand zu schütteln. »Du bist zwar klein, aber du hast ein Herz, so groß wie das eines Sandschweins«, stellte er mit äußerster Ernsthaftigkeit fest.
Rai musste lachen. »Dann nehme ich an, dass du jetzt eine bessere Meinung von mir hast, Chariuk?«
»Eringar Warrud muss stolz gewesen sein, dich an seiner Seite zu haben«, antwortete Chariuk feierlich.
Ehrlich gerührt von dieser Respektsbezeugung deutete Rai eine Verneigung an und lief dann über die Planke aufs Schiff, wo die anderen bereits warteten. Er durfte wohl davon ausgehen, dass er hier in Kersilon einige Freunde gewonnen hatte, und das war ein gutes Gefühl.
LAND UNTER WAFFEN
D ie Stadt Tilet und das gesamte Umland glichen einem riesigen Heerlager. Jeden Tag strömten neue Scharen herbei aus aller Herren Länder, sodass sich die Einwohnerzahl der größten Stadt Citheons innerhalb des letzten Jahresviertels mehr als verdoppelt hatte. Allerdings fanden diese Kampfeswilligen, die seit Ende des Winters dem Ruf der Kirche, sich der großen Drachenhatz anzuschließen, gefolgt waren, nicht alle innerhalb der Mauern Tilets Platz. Ein Meer aus Zelten vor den Toren der Stadt diente ihnen als Wohnstatt.
Arden wollte gar nicht wissen, wie viel es kostete, all diese Münder jeden Tag zu stopfen, ihnen Ausrüstung und Unterkunft zur Verfügung zu stellen und die Schäden zu beheben, die durch die vielen Raufereien, Diebstähle und zum Teil sogar Plünderungen dieser »göttergerufenen« Heerscharen in der Stadt entstanden. Ihm schwindelte bei dem Gedanken, wie lange der Citarim diese gewaltige Drachenjagd vorbereitet haben musste. Gerade auf Arden, der von längerfristiger Planung und vorausschauendem Denken weder viel hielt noch etwas davon verstand, wirkte ein solches Unterfangen geradezu einschüchternd, auch wenn er das dem Citarim gegenüber natürlich niemals eingestanden hätte. Der zeitliche und materielle Aufwand, um Waffen, Rüstungen und sonstige militärische Ausstattung für eine Armee anzusammeln, die mittlerweile wahrscheinlich gut und gerne hunderttausend Menschen umfasste, dazu noch deren Versorgung mit Nahrung und Wasser sicherzustellen, überstieg schlichtweg Ardens Vorstellungskraft. Der Citarim musste seit vielen Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel dazu verwendet haben, sein Vorhaben vorzubereiten, anders ließ sich der bislang weitgehend reibungslose Ablauf dieser größten Heerschau der Geschichte der Ostlande kaum erklären.
Arden stand auf einem der wuchtigen Tortürme, die den Nordeingang der Stadt flankierten. Von dort aus hatte man den besten Blick über die Truppen, die dort lagerten. Manche trafen gerade erst ein oder waren noch dabei, ihre Unterkünfte zu errichten, denn trotz der bereits unüberschaubaren Zahl an Soldaten war sein Heer bei Weitem noch nicht vollständig. Sein Heer – der Gedanke sandte einen prickelnden Schauer über seinen Rücken. Ja, ganz recht, der Citarim hatte ihm die Führung dieser ungezählten Streiter überlassen, vielleicht als eine Art Wiedergutmachung für die vorangegangene Heimlichtuerei, die Respektlosigkeiten der Priester und deren permanente Heuchelei. Schon bald würde er, Arden Erenor, mit dem Schwert Ecorims so viele Menschen in die Schlacht führen wie noch kein Herrscher vor ihm. Endlich hatte ihm der Kirchenfürst die Gelegenheit gegeben, sich zu beweisen, auf dass sein Ruhm alsbald an dem Ecorims gemessen werden würde oder diesen sogar noch überflügelte. In diesem Moment schien ihm nichts unmöglich, denn was konnte schon dem größten Heer der Geschichte trotzen?
Arden warf noch einen letzten Blick auf die imposante Zeltstadt vor den Mauern Tilets, dann schlug er die Kapuze seines Mantels über den Kopf und nickte den Wachen zu, damit sie ihm die Falltür zur nach unten führenden Treppe öffneten. Eigentlich war es schon zu warm, um gänzlich eingehüllt in einen langen Mantel durch die Straßen Tilets zu laufen. Aber im Gegensatz zu früher gab es mittlerweile
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