Goettersterben
wurde brutal niedergeknüppelt. Irgendetwas kam aus der Menge angeflogen und zerbrach klirrend, was von stürmischem Applaus quittiert wurde, und aus Andrejs Verachtung wurde etwas anderes und weitaus Schlimmeres. Trotz allem war er beinahe erleichtert, als sie ihr Ziel erreichten und er die schmalen Stufen zum Richtplatz hinaufstieg. Eine fast greifbare Woge von Furcht schlug ihm entgegen, das süße Aroma der Angst, die all diese Männer gepackt hatte und die auch ihn erschütterte, tief in ihm aber auch irgendetwas vor Gier aufheulen ließ. Ein Teil von ihm wollte den Tod dieser Männer, und ei n – stärker werdender – anderer Teil von ihm genoss die Furcht, war sie doch das Lebenselixier der Bestie, die tief in ihm schlummerte. Er verscheuchte auch diesen Gedanken. Oder versuchte es wenigstens.
Als er die Bühne betrat, die für das grausige Schauspiel gerichtet worden war, begann die Menge zu applaudieren. Andrej verzog unter der schwarzen Maske angewidert das Gesicht, wandte sich aber trotzdem zu der johlenden Menge um und verbeugte sich, einem Schauspieler gleich, der seinem Publikum Respekt zollt. Hinter ihm betraten der Narbige und drei weitere Soldaten das Podest, die anderen bildeten eine lebende Barrikade am Fuße der Treppe, um der drängelnden Menge wenigstens symbolischen Widerstand entgegenzusetzen.
Andrej wandte sich wieder um, trat gemessenen Schrittes neben den mächtigen Holzklotz und streckte die Hand nach dem Stiel der riesigen zweischneidigen Axt aus, die darin steckte. Selbst er spürte das Gewicht des grausigen Werkzeugs. Den Mann, dessen Kleidung und Kapuze er trug, musste es enorme Anstrengung kosten, die Axt auch nur anzuheben. Zugleich glitt sein Blick prüfend über die Gesichter der gefesselten Männer. Die meisten wirkten jetzt gefasst und erwiderten seinen Blick mit steinerner Miene. Selbst der Mann, der sich gerade noch so verzweifelt gewehrt hatte, hatte nun aufgegeben und starrte aus blicklosen Augen ins Leere. Nur Rodriguez … lächelte.
Es war ein sehr sonderbares Lächeln, fand Andrej. Nicht verstockt oder trotzig, um seinen Henkern nicht die allerletzte Genugtuung zu gönnen, Angst auf seinem Gesicht zu sehen. Es wirkte echt, und als Andrej behutsam in ihn hineinlauschte, fühlte er auch in seinen Gedanken nichts als eine schon fast heitere Gelassenheit; als fürchte er den Tod nicht und wisse genau, dass er nicht in Gefahr und alles nichts als eine große Scharade war.
Andrejs Blick löste sich von dem des weißhaarigen Colonel und suchte Abu Dun. Der Nubier musste seine Präsenz ebenso deutlich fühlen wie Andrej umgekehrt die seine, aber anders als er sah er nur die schwarze Henkersmaske und spürte den Vampyr darunter. Er konnte nicht wissen, ob er nicht vielleicht einem von Lokis Verbündeten gegenüberstand, den dieser geschickt hatte, um auch ganz sicherzugehen.
»Worauf wartest du?«, zischte der Narbige neben ihm. »Fang endlich an!« Ohne Andrejs Antwort abzuwarten, gab er einem seiner Männer einen Wink, den ersten Gefangenen zu bringen, doch Andrej schüttelte rasch den Kopf.
»Bringt zuerst den Heiden«, sagte er.
»Meine Befehle lauten anders«, erwiderte der Soldat. »Er soll als Letzter hingerichtet werden.«
»Dann tu es doch selbst«, erwiderte Andrej gelassen. »Du wirst – !«, begehrte der Soldat auf, und Andrej unterbrach ihn, indem er ihm das zentnerschwere Beil mit ausgestrecktem Arm hinhielt. Das spöttische Lächeln auf seinen Lippen konnte der Soldat nicht sehen, aber er musste es wohl in seinem Blick gelesen haben. Der Trotz in seinen Augen brach und machte Furcht und hilflosem Zorn Platz.
»Das wird Folgen für dich haben, das verspreche ich!«, zischte er, herrschte aber den am nächsten stehenden Mann an: »Bringt zuerst den Muselmanen! Und beeilt euch!«
Sowohl Andrej als auch der Narbige hatten leise gesprochen, doch der kurze Disput war nicht unbemerkt geblieben. Die zuvorderst Stehenden waren verstummt und blickten überrascht und neugierig zu ihnen hoch, aus den hinteren Reihen aber wurden schon wieder die ersten unwillige Rufe laut. Die Menge wollte Blut sehen. Und sie wollte es jetzt sehen.
Abu Dun wurde gebracht, zwei Männer hatten ihn an den Armen gepackt, zwei weitere gingen dicht hinter ihm und hatten ihre Bajonette erhoben, um sie ihm sofort in den Rücken zu stoßen, sollte er auch nur eine einzige falsche Bewegung machen. Selbst gefesselt flößte der riesenhafte Nubier seinen Bewachern anscheinend noch einen gewaltigen
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