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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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außerdem hatte er viel zu große Angst, um sich vom Fleck zu bewegen. Unter dem Rückstoß der zahllosen Kanonenschüsse legte sich selbst die gigantische EL CID ein gutes Stück auf die Seite, und auch wenn sein Verstand ihm versicherte, dass es unmöglich sei: Seine Augen sagten ihm, dass gerade ein Schiff von der Größe eines Berges auf sie herabfiel. Der Himmel leuchtete rot im Widerschein der Flammen auf. Eine starke Hand riss ihn am Arm in die Höhe und wirbelte ihn genau im richtigen Moment herum, um zu sehen, wie sich die Wolke aus Rauch und wirbelnden Trümmerstücken verzog und das zum Vorschein kam, was einmal ein stolzes Linienschiff gewesen war. Jetzt war es ein Wrack, das in hellen Flammen stand. Der Großmast loderte wie eine Fackel und würde in wenigen Augenblicken umstürzen, um auch noch den Rest des Decks unter sich zu zertrümmern. Dann explodierte etwas unter Deck des Schiffes – vermutlich das Pulverlager – und riss das komplette Heck in Stücke, und ein tödlicher Regen aus brennenden Schrapnellgeschossen prasselte auf das Deck der Ninja herab. Andrej registrierte fast beiläufig, wie ein Mann von einem armlangen brennenden Splitter durchbohrt und ein zweiter von etwas Scharfkantigem und Glühendem, das rasend schnell herangeflogen kam, mitten im Lauf enthauptet wurde. Die Ninja erbebte, als hätte sie selbst eine Breitseite abgefeuert, und Hitze schlug wie eine glühende Hand nach ihm und nahm ihm den Atem. Abu Duns Lippen bewegten sich lautlos, aber alles, was er hörte, war ein feines Summen. Und er spürte das Blut, das ihm aus den Ohren lief.
Abu Dun versetzte ihm einen Stoß, der ihn aus dem Gleichgewicht brachte und nahezu ins Wasser geschleudert hätte, und irgendetwas bohrte sich lautlos und mit vernichtender Wucht genau dort in die Planken, wo er einen halben Atemzug zuvor noch gestanden hatte. Er murmelte ein Dankeschön, von dem er nicht einmal sicher war, ob er es überhaupt herausbrachte, trat einen weiteren Schritt zur Seite und verstand, was Abu Dun ihm hektisch gestikulierend mitteilen wollte. Der Nubier deutete auf die EL CID und zugleich nach oben. Sie mussten weg hier. Noch war die Ninja nicht einmal direkt in Gefahr, und dennoch war die Hälfte der Besatzung vermutlich schon tot oder schwer verletzt. Gordons Idee, sich als Schaf verkleidet im Schutze eines Wolfes aus der Herde herauszuschleichen, mochte gut gewesen sein – aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sich der Wolf plötzlich in einen Feuer speienden Drachen verwandelte …
Abu Dun hob zum zweiten Mal die Arme und setzte zu einem Sprung in die Höhe an, und Andrej tat es ihm auch dieses Mal gleich, doch auch jetzt überlegte er es sich im letzten Augenblick wieder anders. Etwas bewegte sich, unter und ein kleines Stück neben ihnen. Die Ninja zitterte und bebte, als irgendetwas gegen ihren geschundenen Rumpf prallte, und Andrej hatte einen flüchtigen Eindruck von brodelndem Schaum, aus dem eine Hand verzweifelt winkte, er sah rosafarben gefärbtes Wasser und Augen, die in schierer Todesangst aufgerissen waren. Ohne nachzudenken, ließ er sich ins Wasser fallen. Das kalte Wasser, so kalt, dass es ihm den Atem nahm, traf ihn mit grausamer Kraft, und es schmeckte nach Blut. Eine Hand krallte sich in seine Schulter und verschwand wieder, und Andrej empfing einen tatsächlich körperlich fühlbaren Schwall schierer, köstlich schmeckender Todesangst. Blind taste er um sich, bekam Stoff oder Haar zu fassen, griff ganz instinktiv zu und wurde für seinen Rettungsversuch mit einem Schlag in den Magen belohnt, der ihm auch noch das letzte bisschen Luft aus den Lungen trieb. Trotzdem griff er noch einmal und fester zu, stieß mit einer kraftvollen Schwimmbewegung des freien Arms an die Wasseroberfläche und setzte all seine gewaltige Körperkraft ein, um die schon fast leblose Last in seiner anderen Hand auf das Deck der Ninja hinaufzuschleudern.
Noch bevor er genau erkennen konnte, wen er da aus dem Wasser gezogen hatte, wurde er seinerseits gepackt und nicht nur wieder auf das Schiff hinauf, sondern auch quer über das Deck und noch einmal in Richtung der EL CID gestoßen. Im Vorüberstolpern registrierte er, dass es keineswegs Rodriguez gewesen war, den er aus dem Wasser gefischt hatte, sondern sein junger Adjutant; und er war noch nicht einmal ganz sicher, ob er nicht am Ende einen Toten gerettet hatte. Bresto lag gekrümmt und vollkommen reglos auf dem Deck, und Abu Dun ließ ihm keine Gelegenheit zu einem

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