Goettersterben
flammten plötzlich Lichter auf, und sie hörten aufgeregte Stimmen durcheinanderreden. Auf den Decks der Schiffe, die der EL CID am nächsten waren, schien die Besatzung auf das rätselhafte Geschehen aufmerksam zu werden, aber selbst, wenn einige der wenigen Männer seine wahre Bedeutung erkannten und es nicht für eine einfache Vergnügung hielten, die sich de Castello als Höhepunkt des Abends ausgedacht hatte, würde es zu spät sein. Die EL CID war für die spanische Marine verloren.
Aber was wollte ein Mann wie Loki mit einem Kriegsschiff voller britischer Soldaten? Und in der nächsten Sekunde fragte er sich, warum er eigentlich so blind gewesen war.
»Fünfhundert Soldaten?«, murmelte er. »Gib ihm eine Woche …«
»… und es sind fünfhundert Vampyre«, führte Abu Dun den Satz zu Ende. Hätte Andrej nicht gewusst, dass es unmöglich war, er hätte geschworen, den Nubier erbleichen zu sehen. »Großer Gott, Hexenmeister«, murmelte er. »Ein Schiff wie dieses mit einer unsterblichen Besatzung … weißt du, was das bedeutet?« Ja, dachte Andrej. Das wusste er. Nichts anderes als das Ende der Welt.
Die Ninja lag auf der Lauer wie ein Hai, der auf das Vorüberschwimmen eines Walfisches wartete. Ein sehr kleiner Hai, der einen wirklich großen Wal belauert. »Und Ihr seid wirklich sicher, dass Ihr das wollt?« Andrej wusste nicht, wie oft Gordon diese Frage schon gestellt hatte. Er nickte auch dieses Mal nur, und Gordon schaute ihn ebenso missbilligend an wie die Male zuvor. Doch dieses Mal hob Gordon dann die Hand, um einer der schattenhaften Gestalten, die reglos auf dem Deck standen, zuzuwinken. Der Mann verschwand in einer Luke und kam nur wenige Augenblicke später zurück, beladen mit zwei sorgsam aufgewickelten Tauen, an deren Ende dreizinkige Enterhaken befestigt waren. Sowohl Abu Dun als auch Andrej runzelten die Stirn, als sie die Kletterwerkzeuge sahen, und schüttelten dann in einer nahezu synchronen Bewegung den Kopf. Gordon scheuchte den Mann unwillig fort und gab gleichzeitig einem der anderen Männer einen Wink. Der Matrose verschwand unter Deck, und nur einen Atemzug später tauchten die Ruder der Ninja nahezu lautlos ins Wasser, und die Galeere setzte sich schwerfällig in Bewegung und glitt zwischen den beiden Schiffen hervor, in deren Schutz sie bisher gelauert hatte.
Die EL CID hatte mittlerweile alle Segel gesetzt und Fahrt aufgenommen, war aber immer noch sehr viel langsamer als die Ninja . Andrej schätzte, dass sie keine fünf Minuten brauchen würden, um das fliehende Schlachtschiff einzuholen – falls die EL CID bis dahin nicht mit einem der anderen Schiffe zusammenstieß, zwischen denen sie mit immer größerer Geschwindigkeit hindurchmanövrierte.
Die Ruder tauchten zum zweiten Mal ins Wasser, und ein Ruck ging durch die Planken unter ihnen. Die Ninja wurde schneller, und Andrej erkannte, dass ihnen doch weniger Zeit blieb, als sie ursprünglich angenommen hatten. Er war schon auf Schiffen wie diesen gefahren, sowohl über als auch unter Deck –, aber es war so lange her, dass er vergessen hatte, wie schnell diese Galeeren sein konnten.
»Warum tut Ihr das, Capitan?«, fragte Andrej, ohne die EL CID auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
»Was?«, fragte Gordon harmlos.
»Ihr riskiert Euer Schiff, das Leben Eurer Besatzung und nicht zuletzt Euer eigenes, nur damit wir an Bord gelangen?«
Gordon schüttelte den Kopf. »Ich bin vielleicht verrückt, Señor, aber so verrückt nun auch wieder nicht. Wenn Ihr und Euer Freund Selbstmord begehen wollt, dann ist das Eure Sache, und ich werde gewiss nicht das Leben auch nur eines einzigen meiner Männer aufs Spiel setzen, um Euch dabei zu helfen. Nein, wir wären so oder so längsseits gegangen.«
»Warum?«, fragte Abu Dun misstrauisch.
»Wir fahren in ihrem Kielwasser«, antwortete Gordon. »Unsere einzige Chance, aus dem Hafen zu kommen. Niemand wird auf ein kleines Ruderboot wie die Ninja achten.« Er sah hinüber zur EL CID. »Sobald wir die anderen Schiffe passiert haben, lassen wir uns zurückfallen und ändern den Kurs.«
Das war so verrückt, dachte Andrej, dass es sogar beinahe funktionieren könnte. Und wieder einmal ertappte er sich bei dem Gedanken, dass es ihm letzten Endes egal war, was mit Gordon und seinen Männern geschah. Sie waren Sterbliche, und ihre Leben ohnehin so kurz, dass ein paar Jahre mehr oder weniger keine Rolle spielten. Er sollte sich besser hüten, Zuneigung für diese Geschöpfe zu
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