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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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siehst nicht gerade aus wie ein Schwächling, aber was ist mit deinem Gesicht?«
»Nichts«, antwortete Andrej. »Das ist nur ein Kratzer.« »Den du so aufwendig verbindest?« Pedro betrachtete sie mit neu erwachtem Misstrauen. »Du bist doch nicht etwa krank, Kerl? Das ist das Letzte, was wir jetzt noch gebrauchen können, einen, der am Ende noch die halbe Mannschaft ansteckt!«
»Ich bin nicht krank«, antwortete Andrej ungeduldig. »Es sieht nur nicht sehr schön aus, das ist alles.« Da ihm klar war, dass sich Pedro mit dieser Antwort nicht zufriedengeben würde, nahm er seinen improvisierten Verband ab und gewährte dem Mann einen Blick auf sein Gesicht. Das Sonnenlicht, das in seinem gesunden Auge gebrannt hatte, schmerzte in seinem verletzten Auge noch ungleich mehr, und ihm wurde leicht schwindelig. »Oh«, murmelte Pedro. Selbst unter all dem Schmutz und dem ungebändigt sprießenden Bart konnte Andrej erkennen, wie blass er wurde. »Ja, das … das sieht mir ganz nach einer Verletzung aus. Und das nennst du eine Schramme?«
»Wird es vielleicht besser, wenn ich laut lamentiere?« »Nein«, gestand Pedro. »Auch wenn die meisten an deiner Stelle genau das täten. Wenn du so zupacken kannst, wie du redest, dann können wir dich gebrauchen. Aber tust du mir und dem Rest der Stadt einen Gefallen?«
»Sicher.« Andrej legte den Verband wieder an, und Pedro bedankte sich mit einem nervösen Lächeln. »Aber die Arbeit ist schwer«, fuhr er fort. »Wenn du schlapp machst, ist das dein Problem. Geld gibt es erst, wenn alles erledigt ist. Schafft ihr es nicht bis Sonnenuntergang, dann geht ihr leer aus.«
»Das ist fair«, antwortete Abu Dun. »Mach dir keine Sorgen. Andrej ist zäh. Und wenn er es nicht schafft, dann übernehme ich seinen Teil der Arbeit.«
»Ganz, wie du meinst«, sagte Pedro. »Da wären ein paar Kisten und Säcke an Bord der Schiffe zu bringen. Seht ihr den kleinen Stapel dort hinten, bei der Gasse?« Andrejs Blick folgte seinem ausgestreckten Arm. Abu Dun tat dasselbe. Er war auch der Erste, der die Sprache wiederfand.
»Oh«, murmelte er.
    Zwei- oder dreimal im Laufe dieses Tages – der überdies kein Ende zu nehmen schien – war Andrej nahe daran gewesen, Abu Dun beim Wort zu nehmen und die Hilfe des Nubiers, die dieser ihm angeboten hatte, einzufordern. Sein Zustand besserte sich nicht. Zu der leisen Übelkeit und den dumpfen Kopfschmerzen, die ihn schon beim Aufwachen geplagt hatten, gesellte sich nun noch eine körperliche Schwäche, und mit jedem Sack und jeder Kiste, die sie an Bord des Schiffes gebracht hatten, schienen seine Muskeln ein bisschen mehr zu schmerzen. Pedro hatte ihnen versichert, dass sie erst ihren Lohn bekommen würden, sobald sie den gesamten Stapel fortgeschafft hatten, und Andrej zweifelte nicht daran, dass er sein Wort auch halten würde. Doch schon nach kaum einer Stunde keimte in ihm der Verdacht, dass der heimtückische Zwerg den Frachtstapel mit einem Zauber belegt hatte, der ihn jedes Mal wieder auf seine ursprüngliche Größe anwachsen ließ, wenn sie nicht hinsahen, und der jede Kiste, die er sich auf die Schultern und Arme lud, eine Winzigkeit schwerer machte als die vorherige.
Bis zum Sonnenuntergang und damit dem Ende ihrer Schicht war vielleicht noch eine Stunde Zeit, als es Abu Dun zu bunt wurde und er Andrej die Kiste (sie fühlte sich an, als enthielte sie mindestens drei Schiffsgeschütze samt der dazugehörigen Munition für eine ganze Seeschlacht), die er sich gerade aufgeladen hatte, wortlos abnahm und mit deutlich mehr als nur sanfter Gewalt auf eine andere Kiste drückte.
»Was soll der Unsinn?«, beschwerte sich Andrej. »Genau das wollte ich dich auch gerade fragen«, antwortete Abu Dun. »Willst du mir beweisen, wie stark du bist? Das ist nicht nötig, Hexenmeister. Ich weiß es. Bleib hier sitzen und ruh dich aus.«
»Was soll der Unsinn?«, wiederholte Andrej nur. »Dieser Unsinn soll zum Beispiel verhindern, dass ich dich nach der ganzen Plackerei auch noch ins Gasthaus zurücktragen muss, wenn wir hier fertig sind«, antwortete Abu Dun säuerlich, schulterte die Kiste, unter der Andrej gerade fast zusammengebrochen wäre, ohne die geringste Mühe und besaß auch noch die Unverschämtheit, sich eine zweite, ebenso große Kiste auf die andere Schulter zu laden.
»Du bleibst hier sitzen und ruhst dich aus, bis ich zurück bin, oder ich verprügle dich so lange, bis du Vernunft angenommen hast.«
»Das kannst du gar nicht«, sagte Andrej

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