Goettersterben
schwach. »Heute schon«, behauptete Abu Dun. Dann wurde sein Blick weich. »Jetzt nimm Vernunft an, Andrej. Du bist krank, ob du das nun zugeben willst oder nicht. Wir werden später herausfinden, was mit dir nicht stimmt. Jetzt komm erst einmal wieder zu Kräften.«
Er ging, ohne Andrej auch nur die Zeit zu einer Erwiderung zu geben, wandte aber auf dem Weg zum Kai und auch die schmale Planke zum Schiff hinauf mehrmals den Kopf, um sich davon zu überzeugen, dass Andrej seinem Befehl auch folgte.
Andrej schnitt ihm jedes Mal eine Grimasse, aber er blieb auch gehorsam sitzen, und im Stillen empfand er eine tiefe Dankbarkeit. Abu Dun hatte mit jedem Wort, das er gesagt hatte, recht. Er war krank, ob ihm das nun unmöglich erschien oder nicht.
Andrej warf einen Blick zu der tief stehenden Sonne hinauf, dann auf den mittlerweile sichtbar zusammengeschmolzenen Kistenstapel, auf dem er saß, und kam zu dem Schluss, dass Abu Dun es schaffen würde. Ohne seine Hilfe vermutlich sogar schneller als mit ihr.
Das Gefühl, angestarrt zu werden, ließ ihn aufblicken. Er hatte sich nicht getäuscht. Jemand hatte ihn beobachtet. Die Gestalt war zu schnell verschwunden, als dass er mehr als einen huschenden Schatten wahrnahm, aber sie war da gewesen.
Und? Abu Dun und er waren praktisch den ganzen Tag über ununterbrochen angestarrt worden, und das von so ziemlich jedermann, der vorbeigekommen war – am Anfang hämisch und voll unverhohlener Schadenfreude, später, als der gewaltige Stapel mehr und mehr schrumpfte, überrascht und ungläubig. Mittlerweile, so mutmaßte er, waren vermutlich Abu Dun und er das interessanteste Gesprächsthema unter den Hafenarbeitern. Wieso also wunderte er sich darüber, angestarrt zu werden?
Abu Dun kam zurück und trottete mit einem ansehnlichen Teil des Kistenstapels wieder davon, und Andrej hatte immer noch keine Antwort auf seine Frage gefunden – aber das nagende Gefühl, dass es wichtig sein könnte, eine zu finden, wurde stärker.
Schließlich stand er auf, um erst zur Kaimauer hinunterzuschlendern, und dann ein gutes Stück nach links. Das gigantische Schlachtschiff, das Abu Dun und er im Laufe des Tages beladen hatten, war nicht sein Ziel. Er hatte Zeit genug gehabt, es in Augenschein zu nehmen, und rein gar nichts von dem, was er gesehen hatte, hatte ihm gefallen. Aber es gab noch mehr Schiffe hier im Hafen.
Eines davon weckte ganz besonders seine Neugier, auch wenn er selbst im ersten Moment nicht sagen konnte, warum. Neben den bauchigen Linienschiffen wirkte es wie ein besseres Paddelboot, obgleich es nicht einmal besonders klein war – ein schlanker, mit einem Dutzend zusätzlicher Ruder auf jeder Seite ausgestatteter Segler, der sich zwischen den von Kanonen starrenden Kriegsschiffen ausnahm wie ein Hai inmitten einer Schule von Walfischen. Doch der Anblick einer leibhaftigen Galeere inmitten der berühmten Armada war ungewöhnlich. Doch das war es nicht allein. Bug und Heck des Schiffes waren weit nach oben geschwungen, so wie er es bisher noch nicht gesehen hatte. Hätte dieses seltsame Schiff auch noch einen Rammsporn und den charakteristischen Schwanenkopf gehabt, Andrej hätte geschworen, dem Nachbau einer römischen Kriegsgaleere gegenüberzustehen. Auch der Name, der in vergoldeten Lettern an dem zum Teil brandgeschwärzten Bug prangte, wollte nicht so recht passen. Ninja DieSchöne. Aber vielleicht würde sich das ja in nächster Zukunft noch ändern, denn an der Schönen wurde nach Kräften gearbeitet. Dutzende von Arbeitern und Handwerkern wuselten an Deck des Schiffes herum, sägten, hämmerten und hobelten, Taue wurden gespannt und Segeltuch und Kisten hin und her getragen, Kommandos und Befehle gebrüllt, und das Ganze mit einer Schnelligkeit und Effizienz, als hinge das Leben all dieser Männer davon ab, möglichst schnell mit ihrer Arbeit fertig zu werden.
Wahrscheinlich tat es das sogar, dachte Andrej. Ihr neuer Wohltäter Colonel Rodriguez wäre vermutlich ebenso erstaunt wie wenig erfreut, wenn er erführe, dass Abu Dun und er sehr wohl wussten, welche Aufgabe diese gewaltige Flotte hatte, und auch, wann sie auslaufen sollte, wenn sich der Kriegsverlauf und das Wetter nicht radikal änderten.
Von heute an gerechnet in acht Tagen. Dann würde nicht nur die Ninja , sondern die gesamte Armada in See stechen, und in einer Seeschlacht oder einem schweren Sturm konnte eine nicht oder schlampig ausgeführte Reparatur durchaus den Untergang eines Schiffes bedeuten.
Aber das
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