Goettersterben
mitzukommen, nachdem ich ihm von euch erzählt habe. Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen.«
»Warum sollte ich?« Andrej drehte sich zu dem ungepflegten Zwerg herum. »Es ist schließlich dein Kind, dessen Leben du riskierst, nicht wahr?«
Pedro wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, riss dann jedoch nur die Augen auf und starrte Andrej entsetzt an.
»Was ist los?«, fragte Andrej.
Pedro keuchte japsend und prallte einen Schritt vor ihm zurück.
»Was ist los?«, fragte Andrej noch einmal. Er musste den Impuls unterdrücken, wieder nach seiner Waffe zu greifen.
»Dein … Auge«, brachte Pedro mühsam heraus. Andrej hob die Hand, tastete mit den Fingerspitzen nach seinen Augen und spürte nichts als unversehrte Haut. Erst dann wurde ihm klar, dass genau das der Grund für Pedros Entsetzen war. Bevor sie den Goldenen Eber verlassen hatten, hatte er den schwarzen Verband wieder angelegt, ihn aber irgendwann in der Dunkelheit ihres Verstecks abgestreift und schlichtweg vergessen. »Die Wunde ist gut verheilt, nicht wahr?«, fragte er harmlos.
»Verheilt? Sie … sie ist verschwunden!«
»Ich wünschte, es würde sich auch so anfühlen«, seufzte Andrej. »Das Auge pocht noch immer, als wäre ein tobsüchtiger Esel in meinem Schädel eingesperrt.« Pedro schien ihm nicht einmal zuzuhören. »Aber wie … wie kann das sein?«, stammelte er. »Dein Auge sah ganz und gar schrecklich aus!«
»Gut, dass es ihm endlich einer sagt«, mischte sich Abu Dun ein. »Ich predige seit einer Woche, dass es noch keiner frischen Fleischwunde geschadet hat, wenn sie mit Wasser in Berührung kommt, aber auf mich hört er ja nicht.«
»Euer gutes spanisches Hafenwasser kann anscheinend Wunder bewirken«, pflichtete ihm Andrej bei. »Ihr solltet es in Flaschen abfüllen und verkaufen.«
Pedro starrte ihn an, als dächte er tatsächlich über diesen Vorschlag nach, und streifte sein Gesicht dann noch einmal mit einem nervösen Blick. »Wir sollten jetzt gehen. Ari hat zwar gesagt, dass er auf mich wartet, aber ich weiß nicht, wie viel auf sein Wort zu geben ist.« »Ari?«, fragte Andrej.
»Der zweite Maat der EL CID«, antwortete Pedro. »Ihr wolltet doch mit ihm reden.«
Andrej hatte gerade einmal einen einzelnen Schritt getan und hielt jetzt inne. »Du hast ihm gesagt, dass wir kommen?«
»Natürlich nicht«, antwortete Pedro. »Ich habe dringende Arbeiten an seinem famosen Schiffchen vorgeschoben. Ehrlich gesagt freue ich mich schon auf sein Gesicht, wenn er sieht, dass ich lieben Besuch mitgebracht habe.«
Er lachte leise, aber Abu Dun warf Andrej einen alarmierten Blick zu, und Andrej wusste auch, dass er recht hatte. Er war noch immer ein wenig hin- und hergerissen, was Pedros plötzlichen Sinneswandel anging. Trotz allem war ihm der schlitzohrige Zwerg sympathisch genug, dass er froh war, ihn nicht zu seinen Feinden zählen zu müssen, aber vielleicht war es an der Zeit, ihn ein wenig zu bremsen. Anscheinend betrachtete Pedro die ganze Geschichte als ein großes Spiel, zu dem er nicht nur nicht einmal bewaffnet kam, sondern sogar noch seine Familie mitbrachte wie zu einem Picknick. Aber es war ein Spiel, das durchaus tödlich enden konnte.
Sie durchquerten die Lagerhalle, und Andrej musste schon wieder blinzeln, als sie nunmehr endgültig ins helle Tageslicht hinaustraten. Pedro führte sie auf einem anderen und kürzeren Weg zum Hafen zurück, blieb aber kurz vor dem Ende der Gasse stehen und hob hastig die Hand. Seine beiden ungleichen Begleiter (Andrej erkannte in dem anderen erst jetzt den kräftigen Mann, den er gestern so unsanft behandelt hatte, und verstand sein Erschrecken nun ein bisschen besser) blieben gehorsam stehen, während Abu Dun und er an Pedros Seite traten und über den Pier blickten. Alles schien ganz normal, sah man vielleicht einmal davon ab, dass es noch immer erstaunlich viele Uniformierte gab und die Bullseye verschwunden war. Das Schiff hatte trotz seines desolaten Zustandes schon wieder abgelegt und den Hafen verlassen. Andrej hoffte für seinen Kapitän und die Mannschaft, dass die See noch eine Weile so ruhig blieb wie im Moment.
»Warum wimmelt es im Hafen von Soldaten?«, erkundigte sich Abu Dun.
Pedro hob die Schultern. »Ich weiß es nicht«, gestand er. »Vielleicht suchen sie die Leiche des geflohenen Gefangenen. Seltsam … ich hatte erwartet, dass sie sie längst gefunden hätten.«
»Dann verschieben wir unsere Verabredung mit Ari vielleicht besser«, schlug Abu Dun vor.
»Unsinn«,
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