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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hand ausgestreckt und ihn aufgefangen hätte.
»Vielleicht solltest du anklopfen?«, schlug dieser vor. »Anklopfen?« Pedro riss sich mit einer ärgerlichen Bewegung los und schnaubte abfällig. »Niemand schließt an Bord eines Schiffes eine Tür ab! Nicht einmal im Hafen!« Dennoch hämmerte er mit solcher Wucht gegen die Tür, dass es wahrscheinlich noch am anderen Ende des Hafens zu hören war.
»Es sei denn, er hat nicht die geringste Ahnung von der Seefahrt«, vermutete Andrej.
Pedro warf ihm einen schrägen Blick zu und hämmerte noch lauter.
»Was soll das heißen, Ari weiß nicht einmal, dass ein Schiff aufs Wasser gehört?«, fragte Andrej. »Wie kommt ein solcher Mann an diesen Posten?«
»Wie die meisten hier«, antwortete Pedro verächtlich. »Er ist um sechs oder sieben Ecken mit Don de Castello verwandt, heißt es. So wie die Hälfte der Offiziere auf diesem Monstrum.«
Er hämmerte noch einmal mit der Faust gegen die Tür, als betrachte er sie als seinen persönlichen Feind, und er hätte sich wohl die Knöchel blutig geschlagen, hätte Abu Dun nicht seinen Arm zur Seite geschoben und die Tür aufgedrückt. Auf der anderen Seite gab es tatsächlich ein Schloss, das Abu Duns Körperkraft aber kaum Widerstand entgegensetzte. Mit dem leisen Splittern von zerbrechendem Holz gab es nach, und die Tür schwang nach innen.

A
    ndrej hatte sich nicht getäuscht, als er gemeint hatte, den Geruch des Todes zu vernehmen. Aber es war nicht das Schiff selbst, das ihn verströmte, sondern der bäuchlings in einer Blutlache liegende Körper, der unmittelbar hinter der Tür auf sie wartete. Pedro hätte beinahe einen Schrei ausgestoßen, hätte Abu Dun ihm nicht gedankenschnell die Hand auf den Mund gelegt und ihn mit den gespreizten Fingern der anderen durch die geöffnete Tür geschoben. Andrej folgte ihnen dichtauf und schob die Tür hinter sich zu, nachdem er sich mit einem raschen Blick über die Schulter davon überzeugt hatte, dass niemand Zeuge der kurzen Szene geworden war.
    Andrej hörte ein halb ersticktes Ächzen und sah, dass Pedro nicht nur heftig zu zappeln begonnen hatte, sondern ganz langsam auch blau anlief. Hastig bedeutete er Abu Dun, ihn loszulassen, legte aber auch gleichzeitig mahnend den Zeigefinger an die Lippen. Abu Dun gehorchte, und Pedro stolperte hastig zurück, beherzigte aber auch Andrejs Warnung, und versuchte sogar, leise zu keuchen.
Abu Dun hatte sich inzwischen schon neben dem Leichnam auf die Knie sinken lassen und drehte ihn fast behutsam auf den Rücken. Keiner von ihnen war überrascht, als sie sein Gesicht sahen.
»Madre de dios!«, keuchte Pedro. »Das ist Ari!« Zögernd machte er einen Schritt, wich dann aber hastig so weit wieder zurück, wie es in der winzigen Kajüte überhaupt möglich war. In seinen Augen war Furcht. »Aber was … was ist denn hier passiert?«, stammelte er. Weder Andrej noch Abu Dun antworteten sofort, aber sie tauschten einen beredten Blick. Aris Gesicht war grau wie das eines Hundertjährigen und im Tode erschlafft, aber in seinen weit aufgerissenen, erloschenen Augen schien selbst jetzt noch ein Ausdruck grenzenlosen Entsetzens zu stehen. Brust und Schultern des toten Jungen waren zerfurcht, als wäre er von schrecklichen Krallen getroffen worden, aber die Wunden schienen seltsamerweise nicht geblutet zu haben, und dasselbe galt für seine aufgerissene Kehle.
»Was … was ist hier passiert?«, fragte Pedro noch einmal. Er versuchte das Zittern aus seiner Stimme zu verbannen, und es gelang ihm sogar. Dafür klang sie jetzt so flach und ausdruckslos, dass man die Furcht darin nur noch deutlicher hörte.
Andrej wollte antworten, doch Abu Dun kam ihm zuvor. »Sieht so aus, als hätte ihn jemand umgebracht«, sagte er. »Wir waren wohl nicht die Einzigen, die eine Meinungsverschiedenheit mit ihm hatten.«
»Aber das ist doch …« Pedro nahm all seinen Mut zusammen, kam wieder einen Schritt näher und zwang sich, den toten Maat anzusehen. Sein Gesicht war fast so bleich wie das des Toten. »Aber was … wer hat ihm das denn nur … nur angetan?« Er fuhr sich nervös mit dem Handrücken über das Kinn. »… Das ist doch nicht das Werk eines Menschen!«
Andrej schwieg, aber unter Abu Duns Blick begann er sich unwohl zu fühlen. Er sah hastig weg. Wer immer Ari angegriffen hatte, musste ihn im Schlaf überrascht haben. Er war fast nackt und trug nur eine knielange, schmutzig-graue Unterhose, und der Gestank, den er wahrgenommen hatte, war nicht der

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