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Goettersterben

Titel: Goettersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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widersprach Pedro, doch wenig überzeugt. »Die Soldaten sind beschäftigt.«
Andrej sah nachdenklich zur EL CID hinüber, bevor er antwortete. »Dann lass wenigstens deinen Sohn hier«, sagte er. »Das hier ist kein Spiel. Es könnte gefährlich werden.«
Der Hafenmeister maß ihn mit einem langen, nachdenklichen Blick. »Gefährlich? Gefährlich werde allerhöchstens ich, sollte ich herausfinden, dass sich jemand einbildet, er könnte meinen Hafen für seine eigenen schmutzigen Geschäfte nutzen.«
»Du meinst, wenn hier jemand schmutzige Geschäfte macht, dann du?«, fragte Abu Dun treuherzig. »Ich lasse nicht zu, dass der Hafen in Verruf gerät«, antwortete Pedro scharf und setzte sich dann ohne ein weiteres Wort in Bewegung. Andrej seufzte und schloss sich ihm an. Abu Dun blieb zurück und wechselte einige Worte mit Pedros Begleiter, dann drehte sich der Mann um und ging, wobei er den heftig protestierenden Jungen einfach mit sich zog.
»Warum hast du das getan?«, fragte er, nachdem sich der Nubier wieder zu ihm gesellt hatte und sie dem Hafenmeister folgten.
»Waren es nicht deine eigenen Worte, dass es gefährlich werden könnte?«
»Das waren sie«, bestätigte Andrej. »Aber seit wann scherst du dich um das, was ich sage?«
»Ich wollte nur nicht, dass sich der Junge erschreckt, wenn er dein Gesicht im hellen Sonnenlicht sieht«, antwortete Abu Dun.
»He!«, protestierte Andrej. »Der Verband ist ab! Ich sehe wieder aus wie immer!«
»Eben«, antwortete Abu Dun.
Andrej strafte ihn mit Schweigen. Während sie schneller gingen, um Pedros Vorsprung nicht zu groß werden zu lassen, nutzte Andrej die Zeit, um unauffällig die Soldaten zu beobachten, die mit kleinen Ruderbooten das Wasser zwischen den Schiffen nach der Leiche des entflohenen Häftlings absuchten. Wahrscheinlich, dachte Andrej, hatten sie den armen Kerl mit so vielen Musketenkugeln gespickt, dass er wie ein Stein auf den Grund des Hafenbeckens gesunken war.
Das Deck der EL CID bot einen vollkommen anderen Anblick als gestern. Es war voller Männer – größtenteils Soldaten, aber auch erstaunlich viele Arbeiter und Seeleute, und mehr als ein Dutzend zerlumpter Gestalten mit ausgemergelten Körpern und verhärmten Gesichtern, die in schwere Ketten geschlagen waren; Don de Castello verlor anscheinend keine Zeit bei der Umsetzung seiner Pläne – und das Schiff summte geradezu vor nervöser Aktivität. Trotz des allgemeinen Tohuwabohus sah Andrej niemanden, der wirklich arbeitete, aber alle wirkten sehr beschäftigt, und niemand würdigte sie auch nur eines Blickes; nicht einmal die allgegenwärtigen Soldaten, deren Aufmerksamkeit sich zum Teil auf die Kriegsgefangenen konzentrierte (von denen die meisten kaum in der Verfassung waren, das Gewicht ihrer Ketten zu tragen) und zum anderen auf die kleine Armada von Booten im Wasser, die immer noch nach der Leiche des Gefangenen suchten. Wahrscheinlich gingen die Männer davon aus, dass jeder, der an Bord kam, auch das Recht dazu hatte. Sie kannten ihre Kameraden an Land wohl nicht allzu genau.
Pedro deutete in dieselbe Richtung, in die sie gestern gegangen waren, steuerte jedoch nicht die Treppe zum Kanonendeck an, sondern einen schmaleren Abgang, hinter dem eine steile Treppe hinunter und in einen schmalen Gang führte, in dem es kein Tageslicht gab, sondern nur eine qualmende Petroleumlampe unter der Decke, die im Takt der sanften Dünung schaukelte und mit Licht und Schatten spielte. Auch hier roch es überall nach frischer Farbe, Teer und neuem Holz, und auch hier schien ein kaum spürbarer, aber penetranter Geruch in der Luft zu hängen, der einem das Atmen schwer machte, als wäre dieses Schiff bereits dem Tode geweiht, ohne dass irgendwer von seiner Besatzung auch nur eine Ahnung davon hatte.
»Die Offiziersquartiere?«, fragte Abu Dun. Seine Stimme klang verächtlich.
»Aris Kabine liegt am Ende des Korridors«, sagte Pedro, ohne Abu Duns Frage zu beantworten. »Der eingebildete Bengel schläft sogar an Bord, habe ich gehört. Dabei hat er vor einem Jahr noch nicht einmal gewusst, dass ein Schiff Segel hat und aufs Wasser gehört!«
»Du kennst ihn?«, fragte Andrej.
»Nein«, antwortete Pedro. Sie hatten die von ihm bezeichnete Tür erreicht, und er hob die Hand und machte Anstalten, sie einfach aufzustoßen und hindurchzustürmen. Doch die Tür war verschlossen, und Pedro wurde unsanft zurückgeworfen und hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren, wenn Abu Dun nicht blitzschnell die

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