Goettersterben
für diese Aufgabe ist, Capitan Gordon?«, fragte er.
»Jacques?« Gordon lachte leise. »Er ist der Schlimmste von allen, Señor Delãny. Solange Ihr an Bord seid, solltet Ihr alles, was Ihr besitzt, ununterbrochen im Auge behalten. Der Kerl würde für eine warme Mahlzeit sogar seine Mutter verkaufen … wahrscheinlich auch für eine kalte.«
»Und trotzdem vertraut Ihr ihm? Warum?«
»Weil es außer mir niemanden an Bord gibt, den die Männer mehr fürchten als ihn«, antwortete Gordon. »Und außer dem Teufel selbst niemanden, den Jacques mehr fürchtet als mich. Niemand wird der Señora auch nur ein Haar krümmen, mein Wort darauf.«
Andrej sagte nicht, wie wenig sicher er war, was Gordons Wort wert sein mochte. Stattdessen wechselte er das Thema. »Ihr habt meine Frage nicht beantwortet, Capitan«, sagte er. »Woher habt Ihr gewusst, dass ich komme?«
»Sagen wir, ich habe gehofft, dass Ihr es Euch doch noch überlegt und mein Angebot annehmt, auf der Ninja anzuheuern«, antwortete Gordon. Andrej runzelte die Stirn, und Gordon rettete sich in ein unsicheres Lachen. Dann schüttelte er den Kopf.»Nein. Ein gemeinsamer Bekannter hat Euer Kommen avisiert. Ich hätte eher mit Euch gerechnet, das ist alles.«
»Colonel Rodriguez?«
Statt zu antworten, sah Gordon sich fast erschrocken um und deutete dann in die Richtung, in die die Witwe und ihr Begleiter gegangen waren. »Warum führen wir unser Gespräch nicht unter Deck fort?«, schlug er vor. »Die Nacht ist kühl, und wie es der Zufall will, habe ich auch noch eine gute Flasche Wein an Bord. Ich nehme doch an, dass Ihr einen guten Tropfen zu schätzen wisst, Andrej … ich darf Euch doch Andrej nennen?«
Beinahe hätte Andrej den Kopf geschüttelt. Er legte nicht viel Wert auf eine formelle Ansprache, aber dieser Mann war ihm unangenehm. Warum, wusste er nicht zu sagen. Es war nicht die lauernde Bösartigkeit, die er bei Jacques verspürt hatte, und auch nicht die gnadenlose Kälte, wie Loki sie ausgestrahlt hatte. Etwas an Gordon war … glatt; wie ein schlüpfriger Fisch, den man einfach nicht fassen konnte, ganz egal, wie sehr man es auch versuchte.
Aber vielleicht war er auch einfach nur zu misstrauisch. Er folgte dem Kapitän bis zur Mitte des Decks, wo eine einfache Leiter nach unten führte. Stimmengewirr, rotes Licht und ein Durcheinander der unterschiedlichsten und zum größten Teil unangenehmen Gerüche schlugen ihnen entgegen, und kaum hatte er das untere Ende der Leiter erreicht, da glaubte er sich endgültig in ein anderes Jahrhundert zurückversetzt. Die Ninja sah nicht nur aus wie eine Galeere, sie war es ganz zweifellos. An den eingezogenen Rudern gab es keine Ketten, aber Andrej glaubte das grenzenlose Leid fast mit Händen greifen zu können, das dieses Schiff gesehen hatte.
»Ihr vermutet richtig, Andrej«, sagte Gordon, dem seine Reaktion nicht entgangen war. »Mein altes Mädchen war früher einmal eine Galeere. Vor sehr langer Zeit.« »Sind Galeeren nicht schon vor ebenso langer Zeit aus der Mode gekommen?«, fragte Andrej, während er sich weiter aufmerksam umsah. Obwohl die Decke so niedrig war, dass nicht einmal er aufrecht stehen konnte, ohne mit dem Kopf anzustoßen, kam ihm das Innere des Schiffes überraschend groß vor, was aber vielleicht schlichtweg an der Tatsache lag, dass es kaum trennende Wände oder andere Hindernisse gab, sondern nur einen einzigen, offenen Raum, der sich vom Bug nahezu bis zum Heck erstreckte. Ein wahres Chaos aus kreuz und quer gespannten Hängematten, Leinen mit schlampig gewaschenen Kleidungsstücken oder zerschlissenen Decken, die ihren Besitzern zumindest die Illusion von Privatsphäre vermittelten, verwandelten den großen Raum in ein Labyrinth aus Schatten und flackerndem rotem Licht, und es stank nach Rauch, glimmendem Holz und ungewaschenen Körpern. Überall brannten kleine Feuer oder glommen Kohlen in rostigen Becken, sodass es Andrej wie ein kleines Wunder vorkam, dass dieser ganze Kahn nicht schon längst in Flammen aufgegangen war. Andrej machte sich nicht die Mühe, die Männer zu zählen, die in kleinen Gruppen beieinandersaßen, tranken und redeten oder auch schon in ihren Hängematten eingeschlafen waren, schätzte aber, dass es mehr als hundert sein mussten; eine überraschend große Besatzung für ein so kleines Schiff.
»Vielleicht nicht so sehr, wie die meisten glauben«, antwortete Gordon mit einiger Verspätung. »Die hohen Herren nennen sie heute Galeonen und behaupten, die
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