Goettersterben
dafür gesorgt, dass die spanische Krone es mir einbauen ließ … na ja, und ein wenig Hilfe von unserem gemeinsamen Freund, dem Colonel, war auch dabei, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Rodriguez?«, erkundigte sich Andrej, obwohl ihn die Antwort auf diese Frage im Moment wenig interessierte. Er hatte seine kurze Inspektion beendet und wandte sich jetzt der dunkelhaarigen Frau zu, die an dem kleinen Tisch saß, der in der Mitte der Kabine mit dem Boden verschraubt war. Sie hatte die Finger auf der Tischplatte verschränkt und starrte aus blicklosen Augen ins Leere. Andrej lauschte flüchtig in sie hinein und fand dort nichts als Schmerz, ganz wie er es erwartet hatte.
»Nehmt Platz«, sagte Gordon. »Ich hole den versprochenen Wein. Trinkt Ihr ein Glas mit uns, Señora Esmeralda?«
Die Witwe reagierte nicht einmal mit einem Wimpernzucken auf die Frage, und Andrej bezweifelte auch, dass sie sie überhaupt gehört hatte. Sehr behutsam tastete er noch einmal nach ihrem Geist und erschrak zutiefst, als er spürte, wie verheerend das schwarze Feuer war, das in ihr wütete. Es war nicht nur Schmerz. Es war etwas, das sie verzehrte, unbarmherzig, lautlos und schnell. Der Vampyr hatte nicht nur ihren Mann und ihre Kinder getötet, sondern auch sie.
»Esmeralda?«, fragte Gordon.
Andrej hob die Hand. »Lasst sie. Sie hat …«
»Ich weiß, was passiert ist«, sagte Gordon. »Die arme Frau. Ich wünschte, ich könnte etwas für sie tun.« Es klang ehrlich.
»Tut Ihr das nicht bereits, Capitan?«, fragte Andrej. »Miguel«, verbesserte ihn Gordon und legte den Kopf auf die Seite. »Warum sagt Ihr das?«
»Immerhin gewährt Ihr ihr Unterschlupf«, antwortete Andrej.
»Worum mich der Colonel gebeten hat«, bestätigte Gordon. »Nach dem, was geschehen ist, konnte sie unmöglich in ihrem Haus bleiben, nicht wahr?« Der Kerl war ja ein echter Menschenfreund, dachte Andrej. Er fragte sich, ob Rodriguez ihm auch gesagt hatte, dass de Castello – Loki – inzwischen wohl auch nach Esmeralda Gonzales suchen ließ. Ganz gleich, wie mächtig der gefallene Gott auch sein mochte, gegen Gerüchte und die Art von Geschichten, die die Menschen sich angstvoll hinter vorgehaltener Hand zuflüsterten, war auch er machtlos. Vielleicht waren sie sogar das Einzige, was ihn wirklich zu Fall bringen konnte. Andrej war längst zu dem Schluss gekommen, dass Abu Dun, Rodriguez und er nicht die Einzigen waren, die nach dem Willen des vermeintlichen Edelmannes in dieser Nacht hinter den Toren des alten Festungsraumes verschwinden und nie wieder auftauchen würden. Auch der bedauernswerte Bresto würde dieses Schicksal teilen, ebenso wie jeder einzelne Soldat, der an der nächtlichen Aktion beteiligt gewesen war. Loki pflegte keine Zeugen zu hinterlassen.
»Ist der Colonel ein guter Freund von Euch, Capitan?«, erkundigte er sich.
Gordon machte ein Gesicht, als müsse er über die Bedeutung dieses Wortes nachdenken. »Wir machen dann und wann ein kleines Geschäft miteinander«, sagte er. »Warum?«
»Nur so.«
Jetzt erschien Misstrauen auf Gordons bärtigen Zügen. »Ich finde, Ihr stellt seltsame Fragen nurso , Andrej.« Um ihn nicht auch noch mit einer seltsamen Antwort zu verwirren, deutete Andrej nur ein Achselzucken an, ging zum Tisch und nahm Esmeralda gegenüber Platz. Erneut fiel ihm auf, wie jung sie noch war, und wie schön. Der Schmerz, der sich unauslöschlich in ihre Augen und ihre zu Stein erstarrten Züge gegraben hatte, tat diesem Eindruck keinen Abbruch, sondern schien ihre Schönheit auf grausame Weise sogar noch zu unterstreichen. »Sie scheint Euch nicht zu sehen«, murmelte Gordon. »Ich habe einen Knochenflicker an Bord, der behauptet, Arzt zu sein. Wahrscheinlich war er allenfalls Barbier, aber er versteht ein wenig …«
»Davon?«, unterbrach ihn Andrej. Gordon schwieg verdutzt.
»Ich kenne mich ebenfalls ein wenig aus«, fuhr er fort. »Besorgt ihr einen heißen Tee mit einem kräftigen Schuss Rum. Einen sehr heißen Tee, mit einem sehr kräftigen Schuss Rum. Das wirkt manchmal Wunder.«
»Und wenn nicht, dann schadet es auch nicht, ich verstehe.« Gordon wirkte immer noch nicht überzeugt, beließ es aber bei einem letzten, zweifelnden Blick und ging dann hinaus, und mehr wollte Andrej nicht. So ziemlich das Letzte, was diese junge Frau jetzt brauchte, war Alkohol, aber vielleicht gab es etwas, das er für sie tun konnte. Vorausgesetzt, er war einige Augenblicke lang mit ihr allein.
Esmeraldas Haut fühlte sich so kalt und
Weitere Kostenlose Bücher