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Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Schütz
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hochzog, biss er die Zähne aufeinander und zitterte am ganzen Körper.
    So laut schnaufend, dass ihn unten wohl jeder Passant gehört hätte, hangelte er sich schließlich auf den Sims des obersten Fensters. Sacht klopfte er gegen das rot-blaue Liatretglas.
    »Psst! Rosanna!«
    Nichts rührte sich. Das Ziehen in seinen Armen breitete sich bis zu den Schultern aus. Er biss die Zähne aufeinander, lange würde er nicht mehr hier hängen können.
    Endlich öffnete sich das Fenster.
    »Heute Nacht habe ich dich überhaupt nicht erwartet«, sagte Rosanna. Vor lauter Schlaftrunkenheit schleppte sich ihre warme Stimme vom einen Wort zum nächsten. »Komm schnell rein!«
    Sie packte ihn unter den Achseln und zerrte ihn zu sich ins Zimmer.
    Als sie sich gegenüberstanden, spürte Rowen, wie sich Tränen in seinen Augenwinkeln sammelten. Er schloss die Lider und sie rollten über seine Wangen. Alle Angst und Verwirrung der letzten Stunden kamen in ihm hoch und es schien, als würden sie mit den Tränen fortgespült werden. Ich kann gar nicht dankbar genug sein, Rosanna noch einmal sehen zu dürfen.
    »Was ist los?«
    Rosanna legte den Kopf schief. Wie bei den meisten jungen Frauen ihres Standes war ihr mit Ocker blond gefärbtes Haar kurz geschnitten. Dies half nicht nur gegen die allgegenwärtigen Flöhe, sondern ließ sich auch leichter pflegen. Rowen konnte sich wie so viele andere einen regelmäßigen Haarschnitt nicht leisten und trug seinen schulterlangen Schopf als Pferdeschwanz.
    »Ich habe gedacht, wir würden uns nie mehr wiedersehen.« Er presste seine bebenden Lippen auf die ihren.
    Sie erwiderte seinen Kuss, packte ihn an den Hüften und zog ihn zu sich heran. Wie die meisten Menschen war sie größer als er und er musste den Kopf in den Nacken legen.
    Als sich ihre Zungen nicht mehr umspielten, hielt sie ihn weiter fest und wiegte ihn hin und her.
    Sie hat mich noch nie weinen gesehen, kam es Rowen in den Sinn und er legte seinen Kopf an ihre schmale Brust, dankbar für diesen Moment.
    In der Gefängniszelle tief im Fels unter dem Onyxpalast, auf dem harten Steinboden zusammengekauert und auf den Tod wartend, hatte er ständig an sie gedacht. Vor allem daran, wie sie sich zum ersten Mal getroffen hatten, hier in diesem Schlafgemach.
    Ihr Vater war Thallius, der Scriptor Magnus Galyriens. Damit hatte er als Oberhaupt der Schreibergilde, die als einzige Bücher herstellen durfte, nicht nur enorme Macht und Ansehen, sondern besaß auch ein gewaltiges Vermögen. Seit einem Reitunfall vor mehreren Jahren war er gelähmt und konnte sich nur noch in einem mit Rollen versehenen Stuhl bewegen, den ein Handwerksmeister eigens für ihn ersonnen hatte.
    Hätte es ein geeigneteres Ziel für einen Dieb geben können?
    Auf seinem Beutezug hatte er sich auch in das Schlafgemach von Rosanna verirrt, wo er auf die tollpatschigste Weise einen Kerzenständer umgeworfen hatte.
    Sie war aufgeschreckt und hatte ihn gesehen, bevor er überhaupt an Flucht hatte denken können. Aber statt nach Hilfe zu schreien oder ihn anzugreifen, hatte sie ihn in eine Unterhaltung verwickelt.
    Auf seine Frage, warum sie das getan hatte, hatte sie geantwortet: »Ich bin ein Vogel im goldenen Käfig. Reich an Futter, reich an bunten Spielsachen, aber arm, bettelarm, an Artgenossen, die mit mir singen.«
    Trotzdem blieb festzuhalten, dass sie sich dafür jemand geeigneteren als einen Einbrecher hätte aussuchen können.
    »Was hat dich damals eigentlich denken lassen, ich würde dir nicht die Kehle durchschneiden oder einfach abhauen?«, fragte er, als sie sich voneinander lösten.
    »Deine Augen«, erwiderte sie. »Kennst du das, wenn du einem Menschen in die Augen siehst und glaubst, sofort alles über ihn zu wissen? Damit meine ich nicht, dass man weiß, wie er heißt oder was er in seiner Vergangenheit getan hat. Sondern dass man weiß, wie er fühlt, wie er denkt. Das hatte ich damals. Ich wusste, dass du mir nichts tun würdest.«
    Rowen lächelte selig und musste dabei wohl wie ein Hohlkopf aussehen. Er mochte es, wenn sie ihre Gedanken auf diese Weise ausbreitete. Sie konnte Dinge beschreiben, die er niemals hätte in Worte fassen können. »Ich bin hier, weil ich dir etwas sagen muss«, verkündete er und verzog seinen Mund.
    Sie setzte sich auf das Fußende ihres Himmelbetts. Zum ersten Mal glitt ihr Blick auf den Galgenstrick. »Rowen …«
    »Ganz ruhig, es ist ja nichts passiert«, sagte er. »Meine Schulden bei Marentius sind mir über den

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