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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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lieb, aber ich fürchte, es wird zwar nicht niederdrückend, aber beklemmend eng.«
    »Naja, es kann sich eben immer nur einer die Schuhe schnüren. Was ist, wie viel Geld hast du gerettet?«
    Wir machten gemeinsam Kassensturz. Der Interessent, der die Apotheke erwerben wollte, hatte einen recht ordentlichen Preis geboten, von dem ich die Hälfte beanspruchen konnte. Erstaunlich viel hatte sich in meiner Kakaokasse angesammelt, einem Bankkonto, auf das Anton die monatlichen Gewinne aus dem Cremeverkauf gezahlt hatte. Über eine Schmuckkassette verfügte ich auch, und darin befanden sich einige wertvolle Stücke. Doch sie mochte ich nicht ohne Not versetzen. Es waren die einzigen Erinnerungsstücke an Anton. Einige Kisten Bücher, etwas Nippes, eine silberne Toilettengarnitur, ein Pelzumhang und meine Kleider machten meinen restlichen Besitz aus.
    »Willst du unbedingt in Köln wohnen bleiben, Amara?«
    »Ich könnte zurück nach Berlin, nicht wahr?« Mit dieser Möglichkeit hatte ich auch schon einige Stunden zergrübelt. Vier Jahre waren inzwischen seit meiner Flucht vergangen, und mit meinem jetzigen neuen Status als Amara Bevering würde ich vielleicht nicht erkannt werden. Aber Melli hatte eine andere Idee.
    »Nein, nicht nach Berlin, Amara. Ich dachte an Bonn.«
    »An Bonn?«
    »Das ist ein hübsches Städtchen, und die vielen Studenten und englischen Touristen sind eine hervorragende Kundschaft für eine kleine Konditorei.«
    »Bestimmt. Aber wie könnte eine alleinstehende Witwe eine Konditorei eröffnen?«
    »Stehst doch nicht allein, Amara. Du hast doch mich. Und Jan Martin. Und Alexander.«
    »Oh, ja, wir machen ein Dampfcafé auf und nähren die Armen mit Kuchen.«
    »Pfui, bist du bitter, Amara.«
    »Entschuldige, ja. Das war bitter. Aber Jan hat seine eigenen Sorgen, und Alexander...«
    »Der auch. Jan sagt, Julia wird jetzt in einem Pensionat in Bonn erzogen. Und das Geschwätz, das mir bei Stollwercks zu Ohren gekommen ist, brachte mir die unfrohe Kunde, ein gewisser Karl August Kantholz sei zum Zivilkommissar in Köln aufgestiegen. Ich für meinen Teil hätte nichts dagegen, zurück nach Bonn zu gehen.«
    Sie brachte noch viele Argumente vor, und wie ein Seidenspinner webte sie einen immer festeren Kokon um mich herum, dem ich zappelnd, beißend, kratzend und fauchend zu entfliehen versuchte. Weil ich nicht wollte, dass sie mir half. Weil sie mir schon so oft geholfen hatte. Weil ich meine eigenen Wünsche und Sehnsüchte unbedingt zurückstellen wollte.
    Und dann kam sie einen Monat später mit dem Angebot. Ein vierstöckiges Haus, in dem bis vor Kurzem ein Wachswarenhändler seine Produkte hergestellt und verkauft hatte, stand zur Disposition. Gut, es war nur ein schmales Handtuch, gerade mal zwei Fenster breit, der Garten kaum mehr als eine belaubte Tischplatte, doch zentral gelegen, unweit der Universität, dem neuen Bahnhof, dem Münster und dem Marktplatz.
    Und es war erstaunlich günstig zu haben.
    Ich gab meine zänkische Weigerung auf und fuhr mit Melli und dem Justiziar nach Bonn, um es mir anzusehen.
    Es war Liebe auf den ersten Blick!
     
    Anton war am 7. Juni gestorben. Den Konventionen zufolge hätte ich mich weder in Gesellschaft zeigen, geschweige denn tatkräftig Geschäfte abwickeln dürfen. Stumpfe, schwarze Wollstoffe, dichte Kreppschleier mussten mich verhüllen, meine Augen sollten tränenumflort, meine Stimme und Haltung gebrochen sein.
    Ein ganzes Jahr lang.
    Drei Monate nach Antons Tod hatte ich den Schleier wütend zusammengeknüllt in eine der Truhen geworfen, den Bombasin darübergestopft und ein leichtes graues Leinenkleid angezogen. Da ich mit den Damen Bevering keine Konversation mehr pflegte, waren sie auch im Unklaren über meine Pläne geblieben. Ich nutzte ihre Abwesenheit, um den Rollkutscher meine Sachen verladen zu lassen. Er würde sie und Mellis Eigentum im Haus abladen, in dem sie mit Jans Hilfe zwei Zimmer notdürftig bewohnbar gemacht hatte. Noch einmal ging ich durch das Apothekerhaus, strich mit den Fingerspitzen über die alten, dunklen Möbel, verweilte mit wehem Herzen in Antons und meinem Schlafzimmer, grüßte Maria in ihrer Nische, sah mich traurig im Labor um und verabschiedete mich dann von Heinz, dem Gehilfen, und dem Apotheker.
    Wieder begann ein neues Leben.
     
    Inzwischen war der ehemalige Ladenbereich zur Straße hin nach unseren Wünschen umgestaltet worden, dahinter hatten wir eine funktionale Küche eingerichtet, die gleichzeitig auch als

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