Göttertrank
Sohn hingegen machte auf ihn, zumindest in seinem schriftlichen Verkehr, einen pragmatischen, natürlichen Eindruck.
Dieser bestätigte sich auch im persönlichen Kontakt. Sie fanden einander sympathisch, harmonierten bei der Arbeit gut miteinander, und als bei einem gemeinsamen Abendessen der Name Lothar de Haye fiel, begann sogar eine enge Freundschaft. Jan, der jenem Globetrotter noch immer dann und wann einen Brief schrieb, sich aber nie sicher war, ob er ihn auf seinen weiten Reisen jemals erreichte, war höchst erfreut, in Maximilian dessen Neffen getroffen zu haben. Als das gegenseitige Vertrauen so tief geworden war, berichtete der junge Briesnitz, was in seinen heimatlichen Gefilden vorgefallen war.
»Mein Vater war nur mäßig erfreut, mich wiederzusehen. Das hätte ich ja sogar noch verstehen können, denn ich bin damals unter Hinterlassung eines ziemlichen Flurschadens ausgezogen. Er wollte mich enterben, hat es aber doch nicht getan. Ich nehme an, Onkel Lothar dürfte interveniert haben. Er hat übrigens auch mein Studium bezahlt, was in Anbetracht der finanziellen Lage meines Herrn Papa wohl besänftigend gewirkt hat.«
»Der Herr Baron müsste es doch begrüßen, wenn sein Sohn und Erbe sich um die Belange des Besitzes kümmern möchte.«
»Das sieht er anders. Ein Herr von Adel beschmutzt sich nicht die Finger mit der Ackerkrume. Er war zwar selbst vor Zeiten gezwungen, Rübenzucker herzustellen, aber das möchte er am liebsten vergessen. Meine Mutter hat da ganze Arbeit geleistet.«
»Das kann ich nur bedauern, Max. Vermutlich hast du ihn nicht zu einem Sinneswandel bewegen können.«
»Nein. In keiner Weise. Unser Streit wurde sehr heftig. Er endete damit, dass er mir linke Ideen vorwarf, ich meine Herkunft besudele und den Ruf der Familie ruiniere. Es war wie in einem schlechten Boulevardstück!« Maximilian schüttelte sich bei der Erinnerung daran. »Meine Schwester wurde mir als leuchtendes Vorbild vorgehalten. Himmel, die sitzt auf ihrer hinterpommerschen Klitsche, und ihr Gemahl treibt sich in den Hurenhäusern von Greifswald und Berlin herum. Und mein jüngerer Bruder – na, er gehört nicht eben zu den Hellsten. Aber er schwätzt jeden noch so hochtrabenden Blödsinn nach, den meine Eltern verbreiten. Und hinter ihrem Rücken zeigte er mir nichts als hämische Freunde darüber, dass ich in Ungnade gefallen bin. Aber bald werden sie anfangen müssen, das Tafelsilber zu verkaufen. Dieser Umstand ist in sein Ochsenhirn allerdings noch nicht vorgedrungen.«
»Wo hält sich dein Onkel Lothar denn gegenwärtig auf?«, fragte Jan Martin.
»Das wissen die Götter. Zuletzt kam eine Meldung, er wolle nach New York aufbrechen, um die Heimreise anzutreten. Aber das ist nun auch schon ein halbes Jahr her. Irgendwann wird er vermutlich unerwartet vor der Tür stehen.«
»Dann hoffe ich, dass er hier vor deiner Tür steht. Ich würde ihn gerne wiedersehen.«
»Gott ja, ich auch. Aber jetzt wird er nichts mehr ändern können. Mein Vater hat sich endgültig von mir losgesagt und Edgar zu seinem Nachfolger erklärt. Kurz und gut, ich muss meine Brötchen selbst verdienen. Und ich bin dir wirklich dankbar, dass ich hier unterkommen konnte.«
Die Feuerzangenbowle war fertig, und die Becher konnten gefüllt werden. Zwischen den einzelnen Schlucken des würzigen Gebräus wurde in dem illustren Kreis aus Botanikern, Medizinern und Pharmazeuten über die Ernährung des Menschen gefachsimpelt.
»Liebig hat völlig recht mit seiner Aussage. Kohlehydrate, Eiweiß und Fett braucht der Mensch in ausgewogenem Maße«, resümierte Jan Martin. »Ich sehe es bei den unterernährten Arbeitern und vor allem immer wieder bei den Kindern.«
»Seine Verbrennungstheorie unterstützt du wohl auch?«
»Sicher. Du musst dir nur mal die Leute ansehen. Diejenigen, die regelmäßig ausgewogenes Essen bekommen, und die, die sich mit ein paar Schlucken Branntwein begnügen. Der Körper verbraucht die Nährstoffe, die ihm zugefügt werden. Je mehr er belastet wird, desto schneller. Ich habe reichlich Anschauungsmaterial und führe Buch über jeden meiner Patienten.«
»Unser Empiriker spricht wieder. Aber Jan, du liegst sicher nicht verkehrt. Auch der Stoffwechsel der Pflanzen hängt von ihrer ›Ernährung‹ ab. Das haben meine Experimente mit den Rüben deutlich gezeigt. Stickstoffhaltiger Boden führt zu besseren Ergebnissen als stickstoffarmer. Wir haben mit verschiedenen Mitteln versucht zu düngen und sehr
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