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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Stimme, »war der Hausspuk. Und jetzt können Sie wieder nach oben gehen und Ihre Arbeit beenden.«
    Melisande nannte ihn Puschok. Und wenn sie girrte und gurrte und maunzte und miaute, dann gab er ihr bereitwillig Antwort. Tagsüber patrouillierte er in den Gärten, doch abends kehrte er zuverlässig zu uns zurück, um am Küchenherd seine Schale Sahne aufzulecken und ein paar Fleischreste zu verspeisen.
    Oft sprang er danach auf meinen Schoß und erwartete ein ausgiebiges Streicheln.
    Ich liebte diese kleine Zeit der Zärtlichkeit.
    Und wenn ich abergläubisch gewesen wäre, dann hätte ich in ihm wohl einen glücksbringenden Hausgeist gesehen, denn mit seinem Einzug begann eine erfolgreiche Zeit für uns.

Feuerzangenbowle
    Melisande! teure Närrin,
Du bist selber Licht und Sonne,
Wo du wandelst, blüht der Frühling,
Sprossen Lieb und Maienwonne!
    Heinrich Heine
     
     
    Die Mitarbeiter des botanischen Instituts hatten sich zu einem ganz besonderen Experiment in der Wohnung des Garteninspektors Sinning versammelt. Obwohl sie sich alle dem wissenschaftlichen Fortschritt verschrieben hatten, huldigten sie in diesem speziellen Fall der alten Vier-Säfte-Lehre, denn sie untersuchten, wie man die Elemente Rotwein, Zitronensaft, Rum und Zucker auf das Schmackhafteste miteinander vermischen konnte. Dabei spielte der kleine Zuckerhut eine entscheidende Rolle. Er lag über dem Bowlengefäß und wurde von kundiger Hand beständig mit dem hochprozentigen Rum beträufelt. Bläulich waberte die Flamme um den weißen Zylinder, von dem geschmolzene Süße in den Wein tropfte.
    Die kundige Hand gehörte Maximilian von Briesnitz, der kürzlich in den Kreis der Botaniker aufgenommen worden war. Während die anderen, darunter Doktor Jan Martin Jantzen, heftig über das Für und Wider der Gartenanlage nach dem Linnaeus’schen oder dem Sprengler’schen System stritten, hörte Maximilian als der Jüngste im Bunde nur aufmerksam zu. Er fühlte sich hochgeehrt, dass Doktor Jantzen ihn zu seinem Assistenten ernannt hatte und ihm mehr als wohlwollende Aufmerksamkeit schenkte.
    Jan Martin war auf den jungen Briesnitz Anfang 1841 aufmerksam geworden, als er eine Abhandlung über den Zucker in der Ernährung schrieb. Eine Veröffentlichung über die Zuchterfolge bei Zuckerrüben hatte ihn beeindruckt, und der Name des Verfassers war ihm vage bekannt vorgekommen. Melisande hatte ihm auf die Sprünge geholfen.
    »Maximilian ist der jüngere Bruder von Dorothea, der Dame, die sich einst Hoffnungen auf Gilbert gemacht hat.«
    »Die kleine Dicke, ich erinnere mich. Ach ja, natürlich, ich erinnere mich. Sie saß bei uns, als das Unglück passierte.«
    Neugierig geworden, hatte er Kontakt zu Maximilian aufgenommen, und es entwickelte sich eine rege Korrespondenz. Jan war de facto, wenn auch nicht von Amts wegen, der derzeitige Leiter des Botanischen Gartens, denn der Direktor Treviranus, der an die Stelle des verstorbenen Nees von Esenbeck getreten war, hatte sich bereits kurz nach seinem Amtsantritt mit dem gesamten Gartenpersonal verfeindet und sich schmollend aus dem Geschäft zurückgezogen. Der daraufhin bestallte Codirektor Theodor Vogel aus Berlin waltete ebenfalls nur kurze Zeit seines Amtes und hatte sich vor Kurzem für zwei Jahre freistellen lassen, um eine Forschungsreise nach Afrika zu unternehmen. Diese Umstände führten dazu, dass Jan die Erlaubnis bekam, zu seiner eigenen Unterstützung einen Assistenten anzustellen. Diese Position bot er dem vielversprechenden jungen Forscher an. Doch obwohl Maximilian seine Stelle in dem französischen Institut für Agrarökonomie aufgegeben hatte, lehnte er das Angebot mit größtem Bedauern und der Begründung ab, er wolle auf das väterliche Gut bei Magdeburg zurückkehren, um dort die in Frankreich gewonnenen Erkenntnisse zum Nutzen des Familienbetriebs einzusetzen.
    Das war im Sommer gewesen, im September traf ein weiteres Schreiben bei Jan Martin ein, in dem Maximilian in ausgesucht höflichen Worten nachfragte, ob die Assistenz noch vakant sei. Gewisse Entwicklungen seien eingetreten, die seine Pläne verändert hatten.
    Jan reagierte erfreut darauf und bat ihn, sobald er es ermöglichen könne, nach Bonn zu reisen. Er war klug genug, hinter den dürren Worten einen tiefgreifenden familiären Konflikt zu vermuten. In Berlin war er, wie er sich inzwischen erinnerte, ein-, zweimal dem Freiherrn und seiner Gattin begegnet und hatte sie als dünkelhaft und hochfahrend in Erinnerung. Ihr

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