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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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wie dieser verbrecherische Ernst Moritz Arndt, auf ihre Lehrstühle zurückgeholt, und Spitzeldienste an der Bonner Universität waren nicht mehr gefragt.
    Die Hoffnung auf eine Beförderung zum Hofrat konnte Karl August getrost begraben.
    Trüb gestimmt packte er seine persönlichen Effekten zusammen und verließ die Amtsstube. Mit der Aktentasche unter dem Arm wanderte er zum Rhein hinunter, einer der wenigen preußischen Bürger, die tief um den starrsinnigen König trauerten, der ihnen mit seinem Verfolgungswahn ein so erbauliches Wirkungsfeld eröffnet hatte. Jetzt würden Burschenschaften wie Pilze aus dem Boden sprießen, Turner sich zu Bünden zusammenrotten, die Presse würde schreiben, was sie wollte, Arbeiter nach mehr Lohn schreien, und vermutlich würden sogar die Weiber gegen die männliche Überlegenheit aufbegehren.
    Das Chaos war auf dem Vormarsch!
    Da half nur Schokolade.
    Karl August bestellte sich in einer der von englischen Touristen und einigen Studenten besuchten Gastwirtschaft am Rheinufer einen Kakao. Ganz öffentlich und für jedermann sichtbar. Er hatte ja sowieso nichts mehr zu verlieren. Sollte doch einer der Anwesenden seiner Mutter hinterbringen, was er tat.
    Er war dreiunddreißig Jahre alt und hatte es bisher noch nicht geschafft, sich aus der mütterlichen Fürsorge zu befreien. Die Witwe Kantholz tat das Ihre dazu, dass ihr Junge nicht auf den dummen Gedanken kam, möglicherweise einen eigenen Hausstand zu gründen. Ihr gefiel das Leben an der Seite ihres bis zu diesem Zeitpunkt ungemein erfolgreichen Sohnes. Niemand würde heute noch in der stets in strengstes Schwarz gekleideten Dame, deren ergraute Haare immer eine Witwenhaube bedeckte und die nie anderen als Gagatschmuck und den dünngescheuerten goldenen Ehering trug, die ehemalige Weißnäherin vermuten, die frivole Unterwäsche für leichtlebige Mädchen und Frauen hergestellt hatte. Sie stand einem illustren Bekanntenkreis vor, deren Angehörige sich vornehmlich mit religiösen Fragen befassten, betrieb einen regen Briefwechsel mit einflussreichen und gleichgesinnten Damen und Herren in Berlin, die höflich genug waren, ihre in gedrechselte Schmeicheleien versteckten Fragen zu beantworten, und achtete darauf, dass Karl August seinen beruflichen Weg machte. Das tat sie zum einen, indem sie ihm oft äußerst nützliche Informationen zusteckte, die sie dem Getuschel schwatzsüchtiger Frauen entnahm. Zum anderen hatte sie eine unerschütterliche Art von Penetranz, jenen Staatsbeamten die Vorzüge ihres Sohnes zu vermitteln, die möglicherweise etwas für ihn tun konnten. Aber für diese Leistungen verlangte sie strikten Gehorsam und das Einhalten der von ihr aufgestellten Regeln.
    Noch immer musste Karl August seinen geheimen Gelüsten im Verborgenen nachgehen.
    Was er an diesem Nachmittag tat, war weniger ein Akt der Rebellion als der Verzweiflung. Dabei war der Wechsel auf dem Königsthron nur der Höhepunkt einer ganzen Reihe von Nackenschlägen, die er in der letzten Zeit hatte hinnehmen müssen. Beispielsweise Alexander Masters! Er war dem Mann schon ganz nah auf den Fersen. Eine Fährte, die nach Deutz zur Artilleriewerkstatt führte, hatte er gewittert, da tauchten plötzlich Gattin und Kind auf, und der Ehebrecher wurde umgehend zum treuen Familienvater. Ein einziges Mal hatte er sich nur noch mit Laura von Viersen getroffen, und, wie es schien, ausschließlich zu dem Zweck, die Affäre zu beenden. Dann war da diese kleine Hexe aus dem Berliner Café, die plötzlich in Bonn aufgetaucht war. Gewisse Körperteile hatten ihm tagelang Schmerzen bereitet, was wiederum seiner Mutter zu äußerst peinlichen Fragen Anlass gegeben hatte. Sicher, er hatte die Dirne angezeigt, aber sie war ihm schon nach zwei Wochen entschlüpft.
    Nach Köln. Zu einer Freundin.
    Die war eine wirkliche Überraschung für Karl August Kantholz.
    Er hatte einige Wochen gebraucht, um überhaupt die damit verbundene Delikatesse zu erkennen. Ja, im Grunde war es ihm erst aufgegangen, als er bei einem Besuch in Köln Melisande mit dem Weib zusammen die Hohe Straße entlangbummeln gesehen hatte. Flugs hatte er sich hinter einem beladenen Karren versteckt, denn er wollte nur ungern von ihnen erkannt werden. Da sie in dem Bevering’schen Apothekenhaus verschwanden und nicht wieder herauskamen, also keine Kundinnen sein konnten, zog er vorsichtig Erkundigungen ein.
    Es handelte sich um Amara Bevering, die als Ella Wirth in Müllers Caffeehaus gekellnert

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