Göttertrank
hatte.
Phantastisch.
Mit einer gewissen Wehmut erinnerte Karl August sich an die wahre Ella, die ihn mit Schokoladenkeksen und leiblichen Genüssen versorgt hatte. Diese Ella Wirth war nicht identisch mit der Frau des Apothekers, die nun Amara genannt wurde.
Amara aber, das war die steckbrieflich gesuchte Mörderin, die ebenfalls in jenem Berliner Café zu Hause gewesen war.
Und was noch bedeutsamer war – es gab da eine Verbindung zu Masters.
Und zu dem Botaniker und Arzt, der ihm an der Universität bereits mehrfach unangenehm aufgefallen war. Nur hatte er ihm nie etwas anhängen können, obwohl er ganz genau wusste, dass der Mann subversive Ideen verbreitete. Aber er hatte einflussreiche Freunde. Darunter eben auch Doktor Bevering, Amaras Gatte.
Karl August hatte sich schon verschiedene Szenarien zurechtgezimmert, mit denen er die Betroffenen der gerechten Strafe zuführen würde.
Und dann starb dieser Idiot von König.
Und Bevering.
Das wäre noch zu verschmerzen gewesen, aber wie es aussah, hatte der Mann alle persönlichen Unterlagen seiner Ehefrau entweder vernichtet oder umschreiben lassen. Wie er aus gut unterrichteter Quelle wusste, wurde sie in der Heiratsurkunde Annamaria Zeidler genannt. Nicht Ella Wirth. Nicht Amara Wolking.
Der Kakao war ausgetrunken, und Karl August leckte sich den letzten süßen Hauch von der Oberlippe.
Zeit, nach Hause zu gehen und eine Entscheidung zu treffen.
Zwei Möglichkeiten standen ihm dank der Vermittlung seiner Mutter offen. Er konnte zurück nach Berlin gehen, wo ein Gönner ihn in seine Kanzlei aufnehmen würde. Oder als Zivilkommissar zur Polizeibehörde in Köln.
Beides keine ruhmvollen Stellen. Aber wenn er es so recht betrachtete, war Köln vielleicht keine ganz so schlechte Alternative.
Als Zivilkommissar gab es neue Möglichkeiten, im Schmutz graben zu lassen. Und vielleicht hatte der alte Bevering ja doch irgendwo einen Fehler gemacht, und er würde diese Amara des Mordes überführen können. Vielleicht konnte er auch seine Rechnung mit der Schlampe Melisande begleichen, die jetzt bei Stollwerck Kuchen verkaufte. Und vielleicht konnte er auch Masters dazu bringen, einen Fehler zu machen.
Doch, Köln war definitiv eine Alternative.
Spukhaus
Und ein Kätzchen sitzt daneben,
Wärmt die Pfötchen an der Glut;
Und die Flammen schweben, weben,
Wundersam wird mir zu Mut.
Heinrich Heine
Das Häuschen in der Bonner Sternstraße hatten wir erstaunlich billig bekommen. Warum, das erschloss sich Melisande und mir erst, als wir schon dabei waren, die Umbauarbeiten zu beaufsichtigen.
Oben unter dem Dach werkelte ein Arbeiter herum, der auf Alexanders detaillierte Anweisungen hin einen Wassertank installierte, der uns den Luxus des fließenden Wassers auf jeder Etage möglich machte. Natürlich musste man morgens den Behälter vollpumpen, aber das war erheblich weniger Aufwand, als ständig Kannen die Treppen hochzuschleppen.
Dass ich überhaupt in Bonn gelandet war, verdankte ich den Damen Bevering, und wie Melli ihre Mutter Nadina zitierte: »Es gibt nicht Glück, hätte nicht Unglück geholfen.«
Nach Antons Tod war es nämlich aus und vorbei mit dem brüchigen Waffenstillstand zwischen uns, und Margarethe und Hermine fochten mit erbitterter Energie das Testament an, in dem ich als Haupterbin genannt wurde. Ihre Angriffe, die direkt nach der Eröffnung von Antons Letztem Willen erfolgten, waren im Grunde unhaltbar. Sie warfen mir beispielsweise Ehebruch mit Jan Martin vor, unzulässige Bereicherung aus der Ladenkasse, Übervorteilung von Kunden, Verschwendung von Haushaltsgeldern und alle möglichen anderen kleinlichen Delikte. Doch mich traf die erste Welle dieser Anschuldigungen wie eine Sturmböe, die mir Atem und Stimme nahm. Zum Glück wahrte der Notar Ruhe und wiegelte erst einmal die Angelegenheit ab. Aber er bat mich um ein vertrauliches Gespräch, und dabei verstand ich die Schwierigkeit meiner Lage erst richtig.
»Die Damen Bevering sind zu Recht empört, gnädige Frau. Ihre Unterstellungen entbehren vermutlich jeder Grundlage, und sie können sie auch nicht wirklich beweisen. Doch mein guter Freund Anton hat vor allem seine Tochter mit seinen Verfügungen brüskiert.«
Das hatte er, auch zu meiner Verwunderung. Er hatte Hermine eine Mitgift ausgesetzt, mir aber das Haus vermacht und ihr nur das Wohnrecht bis zu ihrer Verheiratung darin zugestanden. Ebenso gehörte mir die Apotheke, die er mir freistellte, in eigener Vollmacht
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