Goettin - Das Erwachen
Befehle missachtete wurden. Mit einem völlig unschuldigen Blick wand sich Pino an Liam. „Was machst du denn mit der Kleinen? Das kann man ja durch den ganzen Laden riechen." Pino sah auf sie herunter und leckte sich über die Lippen. „Und ich mag diesen Geruch an ihr." Lee wusste nicht, was sie wütender machte. Der Fakt, dass Pino über sie in der dritten Person sprach, obwohl sie im selben Raum war und sie so noch weiter herabwürdigte. Vielleicht auch, dass diese übernatürlichen Monster mit ihren geschärften Sinnen wirklich alles mitbekamen. Naja, fast alles. Immerhin war Pino entgangen, wovon Lee erregt worden war. Sie fauchte: „Was zum Teufel ist in euch gefahren, dass ich beide plötzlich so auf mich reagiert? Und ich werde weder mit einem Wolf, noch", sie musterte Pino, als würde sie ihn das erst mal in ihrem Leben sehen, „mit, was auch immer Du bist, vögeln!" Liam massierte sich die Schläfen und sah sie dann fest an. Sein Ton verriet seiner Verärgerung, auch wenn sein Gesicht weiter freundlich blieb. „Wir sind Gestaltenwandler, Annelie. Keine Monster! Das Meiste an uns ist genau so, wie bei dir auch. Wir können uns in ein Tier verwandeln, ja, aber außer dieser Sache, sind wir immer noch genau die, die du schon so lange kennst und magst!" Nun schaltete sich Pino wieder ein. Er bedachte sie mit einem arroganten Blick. „Das was-auch-immer-du-bist hast du übrigens schon gevögelt! Du erinnerst dich? Gestern Nacht! Drei Mal!" Lee seufzte und kratzte sich den Nasenrücken. Sie spürte, dass sie damit zu weit gegangen war. Diese völlig surreale Situation war ihr einfach über den Kopf gewachsen. Jetzt war sie aus Unsicherheit, Müdigkeit und Kopfschmerz auch noch zur Rassistin mutiert. Sie schämte sich und wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzten, als Liam den Kopf hob und die leicht geöffnete Tür anstarrte. Er sah schnell auf sie runter und tippte sich an den Kopf. Sie begriff.
Da steht jemand im Flur. Kein Wort! Lee nickte, sah zur Tür und in diesem Moment kam Thomas herein. Mias verfluchter Ehemann! Der Tag wurde wirklich von Sekunde zu Sekunde besser! Und es war noch nicht einmal Mittag. Was kam als Nächstes? Zombies? Frankensteins Monster? Kätzchen? Liam meldete sich wieder in Ihrem Kopf und sie sah ihn wieder an. Kannst Du versuchen dich in seinen Kopf einzuklinken, um rauszukriegen, wie viel er von unserem Alter Ego und deinen Sexeskapaden mitbekommen hat? Er fixierte sie mit seinen kohlschwarzen Augen und sah sie herausfordernd an. Ich muss ja nicht betonen, dass weder er noch irgendjemand sonst über uns Bescheid wissen darf?! Sie seufzte, konzentrierte sich auf Thomas und nichts geschah. Thomas sah sich unsicher um und wand sich an Liam. „Hallo zusammen. Wenn es gerade schlecht ist, kannst du dich gern am Montag im Büro melden." Liam antwortet eine Kleinigkeit zu schnell für die Wahrheit. „Nein, nein! Hi Thomas. Komm rein. Kann ich dir etwas anbieten? Einen Kaffee? Eine Coke?" Thomas schüttelte nur den Kopf. Es war offensichtlich, dass er sich unwohl fühlte. Munter plapperte Liam mit seinem leichten Singsang in der Stimme weiter. Ein sicheres Zeichen, dass er sich auch nicht wohler fühlte. „Ich bin dir so dankbar, dass du es einrichten konntest, samstags vorbeizusehen. Ich weiß, dass das für einen Steuerberater echt ungewöhnlich ist. Aber ich muss dir unbedingt einige Fragen stellen und mein Terminplan nächste Woche ist am Überquellen." Er nickte Pino und Lee zu. „Pino wollte sowieso gerade Annelie heimfahren und sich dann um seine Bar kümmern. Irgendwie hat er es gestern wohl nicht mehr geschafft sie sauber zu machen und die Getränke aufzufüllen, bevor er gegangen ist." Obwohl der Vorwurf an Pino ernst gemeint schien, wusste Lee, dass Liam mit dem Monolog nur Zeit schinden wollte. Sie hatte es wieder und wieder versucht. Sie stand auf, nahm ihre Handtasche und ihre Kleidung und lächelte Thomas dünn an. „Dann lassen wir euch mal das Geschäftliche bereden." Sie winkte Thomas zu und ging zu Pino, der hinter Thomas schon an der Tür stand. Sie drehte sich kurz um und schüttelte den Kopf, um Liam zu signalisieren, dass sie es nicht geschafft hatte. Damit verließ sie das Büro und fühlte sich, als wäre sie gerade einen Marathon gelaufen. Mit Kopfschmerzen!
Kapitel 3
Hier fühlte sie sich wohl! Auch wenn sie nun ihre eigene Wohnung hatte, war ihr Elternhaus immer noch ihr Zuhause. Wie bei allen anderen Anlässen traf sich die Familie hier.
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