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Goettin - Das Erwachen

Goettin - Das Erwachen

Titel: Goettin - Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beth Haige
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diese Art von Leben nicht reichen würde. Das Schlimmste an dieser Unterhaltung war aber, dass sie sich Liam gegenüber nicht mehr hinter dem Argument, sie würden Isabells Gefühle verletzen, verstecken konnte. Wie kam sie überhaupt darauf, dass Liam das wollte? Sie hatte nicht bemerkt, dass er andere Gefühle als Bruderliebe für sie empfand und gestern ... Naja, da hatte sie wohl unbewusst seine animalische aber sicher nicht seine romantische Seite angesprochen. Und Lee empfand für Liam zwar große Zuneigung, aber das war rein platonisch! An diesen Gedanken klammerte sie sich, als sie wieder in Haus ging. Die leisen Zweifel in sich ignorierte sie.

    Nachdem David, Isa und Tim aufgebrochen waren, saßen Lee und Ihr Vater noch zu einem Glas Wein zusammen. Lee sah auf den Mann gegenüber. Er war langsam grau geworden, doch seine wissenden, grüne Augen hatten ihren Glanz nicht verloren. „Was macht das Studium?", fragte er scheinheilig. Es war kein Geheimnis, dass Lee ihre Diplomarbeit schleifen ließ. „Ich arbeite noch an meiner Diplomarbeit.", antwortete Lee schlicht. „Du bist jetzt dreißig, Annelie. Irgendwann solltest du entscheiden, was du mit deinem Leben anfangen willst.", antwortete er leise aber bestimmt.

    Genau da lag ja ihr Problem! Sie wusste, dass sie sich langsam in das bürgerliche Leben einfügen sollte, aber es gab keinen Job, der sie interessierte. Keinen Mann, der sie lang genug an sich binden konnte und die unstillbare Sehnsucht nach mehr als einem Bürojob oder Hausfrauen da sein. Sie wollte mehr! Und doch war sie in ihrer kleinen Heimatstadt geblieben. Sie hatte einfach den Mut nicht aufgebracht zu gehen. Vielleicht war ja diese Gastaltenwandler-Gedankenleser-Sache etwas, was ihrem Leben einen Sinn und eine Richtung gab. Irgendwie hatte sie die letzten Jahre mit einem völlig sinnfreien Leben verbracht. „Ich weiß, Pa. Das will ich jetzt auch in Angriff nehmen." Da ihr Vater sie die ganzen Jahre unterstützt hatte, brachte sie es nicht über sich ihm zu beichten, dass sie genau so planlos war, wie seither auch.

    „Wie kommt Frau Berger mit dir klar?" Das war keine geschickte Überleitung, aber ihr Vater ließ es ihr durchgehen und stieg auf das Thema ein. „Warum fragst du nicht, wie ich mit ihr klarkomme?" Lee lachte. „Naja, Pa, es ist ja nicht unbedingt so, als wärst du der einfachste Mensch. Und dir den Haushalt zu führen und für dich zu kochen, ist nicht leicht, wenn du alles Minuten genau haben willst." Obwohl ihr Vater erst 60 war, war er seit dem Tod ihrer Mutter vor fünf Jahren zum Eigenbrötler und Pedanten geworden. Der Mann, der einen großen Teil seines Lebens erfolgreich eine Druckerei geleitet hatte und von seinen vielen, langjährigen Mitarbeitern respektiert worden war, schaffte es nicht mit einer Haushaltshilfe um sich klar zukommen. Unzählige hatte er eingestellt und dann doch wieder gefeuert. Sie waren zu langsam oder zu schlampig oder ihr Essen schmeckte ihm nicht.

    Allerdings hatte Lee den Eindruck, dass es dieses Mal anders laufen könnte. Frau Berger war eine geschiedene Mittfünfzigerin, die ihrem Vater sanft aber unerbittlich seine Grenzen aufzeigte. Wenn sie mit dem Essen ein paar Minuten im Verzug war, reichte sie Reiner Magnus einfach die Zeitung. Wenn sie ihm zu langsam vorankam, besänftigte sie ihn mit einem Lächeln und einem gekonnten Augenaufschlag. Lee hatte die Hoffnung, Frau Berger könnte ihrem Vater eine gute Gefährtin für seinem Lebensabend sein.

    Ihr Vater zuckte mit den Schultern. „Seit deine Mutter tot ist, finde ich wohl nicht mehr das richtige Maß." Oder er hatte niemanden, der seine Macken in Schach hielt. Lee musste schlucken „Mir fehlt sie auch. Aber wir mussten ihr alle versprechen, unser Leben weiterzuleben." Das hatten ihr Vater, ihre Schwester und sie ihrer Mutter versprechen müssen, bevor sie der Krebs von ihnen nahm. Die Einzige, die dieses Versprechen bisher eingehalten hatte, war ihre Schwester Isabell gewesen. „Und du weißt, wie sauer Mom wurde, wenn wir nicht eingehalten haben, was wir versprochen hatten." Ja, ihr Temperament hatte sie eindeutig von ihrer Mutter geerbt. Ihr Vater stand von dem langen Massivholztisch auf und fuchtelte mit seinem Zeigefinger vor ihrer Nase herum. „Jetzt hätte ich fast was vergessen.", sagte er und ging ins Wohnzimmer. Sie sah ihn in dem antiken, aus dunklem Holz gefertigte Sekretär stöbern. Er zog einen Umschlag hervor, kam lächelnd zu ihr zurück und gab ihn ihr.

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