Goettin der Legenden
haben.«
»Nur damit ich Bescheid weiß – werde ich am Ende tot sein? Ich will mich ja nicht beklagen, schließlich hast du mich gerettet und alles, aber werde ich sterben, wenn unsere Mission erledigt ist?«
»Ich versichere dir, dass dein Schicksal in deinen Händen liegt, sobald du diese Mission abgeschlossen hast.«
»Und wenn ich beschließe, dass ich eigentlich nicht sterben will?«
»Dann kannst du entsprechend über dein Schicksal entscheiden.«
»Und wenn ich beschließe, dass ich in die Welt der sanitären Einrichtungen und der Elektrizität zurückkehren möchte? Und zu meiner Fotografie?«
»Dein Schicksal liegt in deinen Händen.«
»Na gut«, sagte Isabel und zog versuchsweise an der Kette, die erwartungsgemäß standhielt. »Kann ich mir den Text, den ich aufsagen soll, vielleicht auf einen Klebezettel notieren?«
»Du wirst dich an ihn erinnern, wenn du ihn brauchst.«
»Aber ich hab noch eine Frage. Wenn ich Hilfe oder Rat nötig habe, darf ich dich dann besuchen?«
»Immer.«
»Wie finde ich dich?«
»Frag einfach in Gedanken nach mir, Isabel. Ich werde dir antworten.«
»Okay. Und habe ich meinen Auftrag richtig verstanden? Ich soll versuchen, Lancelot von Gwen wegzulocken, damit Arthur und Gwen bis ans Ende ihrer Tage glücklich und zufrieden verheiratet bleiben können. Und das wird dem König helfen, Camelot zu retten?«
Viviane lachte, und sofort verzogen sich Wolken und Regen. Isabel beneidete die Herrin des Sees um diese Fähigkeit und wünschte, sie hätte diese Methode bei dem einen oder anderen ihrer Freunde anwenden können. »Ja, das ist der Plan. Aber manchmal laufen die Dinge nicht nach Plan.«
»O je.«
»Du hast die Kette. Nutze sie mit Bedacht, dann ist alles – wie sagt man das in deiner Zeit? – paletti. Supergut. Geritzt.«
»So ungefähr. Wenn man auf solche Ausdrücke steht.«
»Ich stehe vor allem auf dich, Isabel. Auf dich und die Liebe, die du hättest erleben sollen.«
Inzwischen bereute Isabel fast ihre letzten Gedanken über unerfüllte Wünsche. Vielleicht hätte sie sich lieber auf die Sachen konzentrieren sollen, die sie nicht hatte haben wollen. »Wie finde ich denn eigentlich zum Schloss?«
Wortlos steckte die Herrin des Sees die Hand ins Wasser und spritzte. Schimmernd wie Quecksilber hingen die Tropfen einen Moment in der Luft, dann fielen sie zurück in den See.
»Dein Pferd wartet schon«, sagte Viviane.
Als Isabel sich umschaute, stand die schönste weiße Araberstute da und schnaubte ungeduldig.
»Okay, Viviane, eines möchte ich noch klarstellen«, sagte Isabel. »Erstens bin ich eine gute Reiterin. Am liebsten ohne Sattel. Aber ich erkenne einen Damensattel, und um nichts in der Welt schaffe ich es, so ein großes Tier im Damensattel zu bewältigen.«
Wieder lachte die Herrin des Sees ihr glockenhelles Lachen, dann tauchte sie die Hand erneut in den See und spritzte erst Isabel und dann dem Pferd Wasser ins Gesicht.
»Und jetzt weißt du, wie man im Damensattel reitet, Izzy. Bald werdet ihr gute Freundinnen sein, du und dein Pferd. Jetzt reite nach Camelot. Du wirst dort dringend gebraucht. Und ich will endlich meinen Merlin zurückhaben.«
»Wie kommt es, dass du mich Izzy nennst, und ich darf nicht Viv zu dir sagen?«
Die Herrin des Sees erhob sich. »Wer ist denn hier die Göttin, Izzy?«
»Okay, da hast du natürlich recht.«
4
Izzy? Nur Isabels beste Freunde und ihr Vater nannten sie so. Aber vermutlich war es nicht ratsam, sich mit einer Göttin anzulegen, vor allem, wenn diese einem gerade das Leben gerettet hatte. Auf dem Weg durch den Wald wunderte Isabel sich einmal mehr darüber, wie intensiv und lebensecht dieser Traum war.
Genau wie Viviane es vorausgesagt hatte, freundete sie sich rasch mit Samara an, und sie ritt so sicher im Damensitz, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Wie war das möglich?
Oder war sie doch in einer Art Jenseits, von dem man als Lebender keine blasse Ahnung hatte? Funktionierte das Universum so? Lud es einen einfach an einem anderen Ort und in einer anderen Zeit ab?
Zweimal musste sie anhalten, um ihre Notdurft zu verrichten, und sie fragte sich, ob es in Camelot womöglich illegal war, mitten im Wald den Hintern zu entblößen.
Seltsamerweise aber fand sie jedes Mal so etwas Ähnliches wie Toilettenpapier vor. »Danke, Viviane«, flüsterte sie. Und sie hätte schwören können, dass die Bäume raschelnd antworteten: »Gern geschehen, kein Problem.«
Die Araberstute
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