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Göttin der Rosen

Göttin der Rosen

Titel: Göttin der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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sondern auch die unendliche Einsamkeit gesehen, die jeden ungeschützten Gesichtsausdruck zu überschatten schien, sogar als er ihre Berührung zurückgewiesen hatte. Aber man hat ihn so lange schon als Ungeheuer behandelt, dass seine Zurückweisung vielleicht eher etwas mit Angst und Gewohnheit zu tun hat als mit dem Wunsch, mich wegzustoßen.
    Sie musste ausführlicher darüber nachdenken, worauf sie zusteuerte. Sie musste über Asterius nachdenken. Als der kühle Morgenwind durch ihr dünnes Nachtwind drang, fröstelte sie. An einem Morgen wie diesem waren die heißen Quellen bestimmt ein besonders angenehmes Erlebnis … und welcher Ort war besser zum Nachdenken geeignet?
    Ehe sie die Balkontreppe hinunterging und den Weg um den Palast herum antrat, schloss sie noch einmal kurz die Augen und schickte Daphne rasch einen Gedanken.

    Beim Baden dachte Mikado an ihn. Er ahnte es – spürte es. Nicht weil sie ihn rief, so spezifisch war es nicht. Sie dachte einfach nur an ihn. Eigentlich hätte er es nicht merken, nichts davon wissen dürfen. Aber das änderte nichts daran.
    So etwas war noch nie passiert. In all den Jahrtausenden, die er nun schon Hekates Wächter war, und bei all den anderen Empousas, die als Hohepriesterinnen im Reich geherrscht hatten –, noch nie hatte er die Gedanken einer von Hekates Auserwählten gespürt.
    Und auch nie die Sanftheit der Berührung einer Empousa. Nicht einmal bei der Priesterin, die er geliebt hatte … von der er gedacht hatte, sie würde seine Liebe möglicherweise erwidern. Niemals hatte eine Frau ihn zärtlich berührt. Er hatte nur eine vage Erinnerung daran, wie seine Mutter sich ein paarmal zu ihm ins Labyrinth geschlichen hatte, und glaubte, sich zu entsinnen, dass sie einmal seine Wange berührt hatte. Aber das war so lange her, und die Zärtlichkeit war sehr flüchtig gewesen. Doch diese Frau, diese Sterbliche aus der gewöhnlichen Welt, hatte ihn nicht nur freiwillig angefasst, sie hatte auch seine Zärtlichkeit akzeptiert und gezittert, als er sie küsste.
    Die Berührung einer Frau … eigentlich eine unbedeutende, ganz normale Angelegenheit. Sterbliche wie Götter dachten nicht groß darüber nach. Sie berührten sich zur Begrüßung und beim Abschied, sie berührten sich beim Lachen und beim Reden. Ja, nur eine Kleinigkeit, ganz normal … es sei denn, man hatte sie jemandem vorenthalten. Wie sehr er sich nach einer liebevollen Berührung von einer Frau gesehnt hatte, die das Biest in seinem Inneren und in seinem Äußeren tröstete und beruhigte!
    Mikado hatte ihn völlig aus dem Gleichgewicht gebracht.
    Sein frustriertes Stöhnen verwandelte sich in ein Knurren, als er sich von seinem Lager erhob. Sie hatte ihn Asterius genannt und gesagt, dass sie an den Mann in der Bestie glaubte. Und dann hatte sie sich von ihm küssen lassen! Bestimmt hatte sie es nur nett gemeint. Sie konnte ja nicht ahnen, dass ihre Berührung und ihre Worte den Mann verführten und das Biest herbeilockten. Seine Hufe schnitten in den Marmorboden seiner Höhle, während er auf und ab wanderte. Die Empousa konnte nicht wissen, wie sehr er sich wünschte, vor ihr niederzuknien und sie anzuflehen, dass sie nie damit aufhörte, ihn zu berühren … an ihn zu denken … mit ihm zu sprechen, als glaubte sie wirklich an seine Menschlichkeit.
    Und was dann? Im Frühling musste sie geopfert werden. Verzweifelt blickte er auf seine Hände hinab, an denen sich erneut die Klauen zeigten. Noch immer konnte er ihre weiche Haut an den rasiermesserscharfen Spitzen fühlen. Würde er sie fliehen lassen wie die Betrügerin vor ihr? Nein. Das konnte er nicht. Die Rosen waren krank, und er war überzeugt, den Grund dafür zu kennen. Die letzte Empousa war geflohen, ohne ihr Schicksal zu vollenden. Was würde mit dem Reich geschehen, wenn die jetzige Hohepriesterin dasselbe tat?
    Er wusste es. Das Reich würde nicht überleben.
    Wenn er der Einzige gewesen wäre, der den Preis bezahlen musste, hätte er das gern getan. Das wusste er mit Sicherheit, obgleich der Gedanke ihn beschämte. Denn er bedeutete, dass er bereit war, seine Göttin erneut zu verraten. Aber gleichgültig, wie verzweifelt er sich nach Mikado sehnte, er würde nicht zulassen, dass seine eigene Begierde zur Zerstörung des Reichs der Rose führte.
    Sein Knurren wurde tiefer, und er musste gegen den Drang ankämpfen, etwas zu zerfetzen. Der Mann in seinem Innern hielt das Biest im Zaum, aber nur mit knapper Not. Der Schmerz und die

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