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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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lange, ihre ohnehin mustergültige Küche aufzuräumen und alles in die Spülmaschine zu stellen. Lina trocknete sich die Hände ab und schenkte sich ein neues Glas Wein ein, dann schlug sie das kleine Teigstück in ein Papiertuch und eilte aus der Küche. Mit dem Glas und dem Teig in einer Hand öffnete sie die Tür des Wandschranks im Flur. Noch bevor sie ihre Jacke angezogen hatte, hörte sie das verräterische Schlurfen von Ediths Pfoten auf den Fliesen. Lächelnd nahm Lina die Leine der Bulldogge vom Haken.
    »Ganz egal, wie fest du schläfst, wenn diese Tür aufgeht, bist du da«, lachte Lina und befestigte die Leine an Ediths Halsband.
    Die Bulldogge gähnte und schnaubte dann.
    »Ich weiß, dass es spät ist, aber ich muss noch etwas erledigen, und dafür kenne ich die perfekte Stelle.«
    Gar nicht vorwurfsvoll stand Edith als erste an der Wohnungstür, und Lina hatte Mühe, mit dem Weinglas zu jonglieren, ohne etwas zu verschütten.
    »Langsam, großes Mädchen!«
    Lina schob den Teigklumpen in ihre Jackentasche und verschloss die Tür hinter sich. Es war Anfang März, die Nacht in Oklahoma ungewöhnlich warm. Die Luft war schwer und duftete verheißungsvoll nach Frühling. Lina ließ sich von Edith in die Mitte des gepflegten Innenhofs führen. Ein Schatten huschte über ihren Kopf hinweg; sie blickte nach oben. Hoch am Himmel stand der Vollmond, leuchtend rund, er hatte die Farbe cremig geschlagener Butter. Lina starrte ihn an. Was für ein sonderbarer Gelbton. Er verlieh dem Apartmenthauskomplex im englischen Tudorstil eine ätherische Note, gab schlichten Hecken und Gehsteigkanten ein neues, leicht unheilvolles Aussehen.
    »Also echt, ich komme mir gerade vor wie in
Der Herr der Ringe
«, ermahnte Lina sich. »Dolores hat recht. Ich bin zu oft im Kino gewesen und habe Aragorn angeschmachtet.«
    Offensichtlich waren Lina die Beschwörungsformeln und die spannende Teigzubereitung so zu Kopfe gestiegen, dass sie jetzt schon unheilvolle Schatten in ihrer gepflegten Wohnanlage zu sehen glaubte.
    »Das muss ich unbedingt Anton erzählen«, murmelte sie vor sich hin. »Vielleicht kann ich ihn überreden, mir ein paar von seinen Beruhigungspillen zu spendieren.«
    Doch da sie nun schon draußen war und das Zauber- bzw. Rezeptbuch mit den anderen Kochbüchern im Wohnzimmer zurückgelassen hatte, kam Lina sich tatsächlich ein wenig albern vor.
    »Vielleicht hätte ich vor diesem Abschnitt des Rezepts etwas mehr Wein trinken sollen«, sagte sie zu ihrem Hund, der sie mit zurückgelegten Ohren ansah und schnaubte. »Oder ich bin einfach nur kaputt und muss dringend ins Bett.«
    Sie näherten sich Linas Lieblingsplatz – dem großen Marmorbrunnen in der Mitte des kopfsteingepflasterten Hofes. Das ganze Jahr über spie er Wasser in einer eindrucksvollen Fontäne über drei elegant geschwungene, schalenartige Becken. Tatsächlich hatte der Brunnen beim Kauf ihrer Wohnung den Ausschlag gegeben. Im Sommer fand Lina den Bereich um die Fontäne mit seinem kühlen Kopfsteinpflaster im Schatten der alten Eichen noch erfrischender als den Swimmingpool. Außerdem war er viel weniger frequentiert. In den Wintermonaten wurde der Brunnen wie der Swimmingpool beheizt, und Lina hatte so manchen Winternachmittag mit untergeschlagenen Beinen in Decken gewickelt dort gesessen und zum melodischen Plätschern des Wassers gelesen.
    »Hier ist er. Der perfekte Ort«, erklärte Lina ihrem Hund, der an einer Azalee schnupperte. »Bleib hier, es dauert nicht lange.«
    Sie ließ die Leine der Bulldogge fallen. Gehorsam pflanzte Edith Anne ihren breiten Hintern neben Frauchen, überlegte es sich dann anders und ließ sich mit einem hündischen Seufzer entspannt der Länge nach auf den Boden sinken. Ihre halb geschlossenen Augen beobachteten Lina mit schläfrigem Interesse.
    Die nächste Eiche war gleichzeitig die größte. Lina näherte sich ihr vorsichtig im buttermilchgelben Mondlicht, achtete darauf, nicht über das verworrene Geflecht freiliegender Wurzeln zu stolpern, die rund um den Baum aus dem Boden ragten. Sie wirkten erstaunlich gruselig, erinnerten an gierige Tentakel und sich windende Schlangen.
    »Hör auf, das ist ja albern«, schalt sich Lina mit einer Empörung, die eigentlich Verkäufern von nachgemachten Parfüms vorbehalten war. Der Klang ihrer Stimme vertrieb die verstörenden Bilder, und die Eiche bekam wieder ihre zuverlässige, vertraute Gestalt.
    Lina zog den kleinen Teigklumpen aus der Tasche. Sie sah sich im Hof

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