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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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die Hand zur Faust ballte, passte sie genau in den Blütenkelch hinein. Und dieser Duft! Lina beugte sich vor und sog ihn tief ein. Sie hätte nicht sagen können, ob jemals eine Pflanze ihrer Großmutter so gerochen hätte wie diese hier. Was war das für ein Geruch? Er wirkte täuschend vertraut, aber sie kam nicht darauf, an was er sie erinnerte. Erneut atmete Lina tief durch. Dieser Duft machte ihr Herzklopfen, das Blut rauschte in ihrem Körper. Dieses phantastische Aroma hatte etwas an sich, das sie mit einem jugendlichen Sehnen erfüllte, und plötzlich musste Lina an ihren ersten Kuss denken. Er lag schon lange zurück, doch sie wusste noch ganz genau, dass der Kuss ebenso süß gewesen war. Sie seufzte. Diese Blüte roch, als hätte sich das Mondlicht mit der Unschuld des Frühlings vereint, um eine Blume zu schaffen.
    Lina blinzelte überrascht und schnaubte verächtlich. Es klang ein wenig wie bei ihrer Hündin. Offenbar meldete sich ihr Sinn fürs Poetische und Romantische. Wie skurril und untypisch für sie – nun ja, jedenfalls untypisch für sie als Dreiunddreißigjährige. Früher war sie sehr romantisch und blauäugig gewesen, hatte an das Gerede von der großen Liebe geglaubt, bla bla bla. Bis das Leben, die Erfahrungen und die Männer ihr diese Naivität ausgetrieben haben. Romantik? Warum musste sie ausgerechnet jetzt daran denken? An ihrem dreißigsten Geburtstag hatte sie der Romantik abgeschworen. Schluss damit. Aus und vorbei. Und sie hatte ihren Entschluss nie bereut.
    Ein Bild ihrer letzten Verabredung tauchte vor ihrem inneren Auge auf: der erfolgreiche Geschäftsmann von Ende vierzig, zweimal geschieden, vier gestörte Kinder, zwei aus jeder Ehe. Das Beste, was Lina über ihn sagen konnte, war, dass er sich treu geblieben war. Während des teuren Abendessens in einem von Linas Lieblingsrestaurants hatte er ununterbrochen gejammert und geklagt, wie viel Unterhalt und Alimente er für seine beiden gehässigen, raffgierigen Exfrauen zahlen müsste, die ihn nie verstanden, geschweige denn zu schätzen gewusst hätten. Noch bevor der Hauptgang serviert worden war, bekam Lina Mitleid mit seinen Exfrauen.
    Diese Erfahrung war symptomatisch für Männer in ihrer Altersklasse. Ein Klischee, das leider zutraf. Die Guten waren vergeben – oder schwul. Die Übrigen hatten ihre beste Zeit hinter sich, bekamen eine Glatze und weinten den ganzen Abend verpassten Gelegenheiten hinterher. Oder hatten, wie Linas Exmann, sich jüngere Frauen zur Partnerin erkoren. Frauen, die nicht nur streunende Hunde und Katzen aufziehen konnten.
    Hör auf!,
schimpfte Lina mit sich selbst. Warum dachte sie jetzt ausgerechnet
daran
? Ihr Exmann war Geschichte, ebenso wie Linas Bereitschaft, sich mit Männern zu treffen und auf das Spiel einzulassen. Ehrlich gesagt, blieb sie lieber zu Hause und backte einen Kuchen. Oder ging mit dem Hund Gassi. Oder streichelte ihren Kater (wenn er denn in der Stimmung dazu war).
    Nein, sie hatte nicht bereut, der romantischen Liebe abgeschworen zu haben. Ihre Augen richteten sich wieder auf die ungewöhnliche Narzisse. Es war nur eine Blume, nur eine wunderschöne, früh blühende Blume. Lina hatte einfach einen sehr langen, sehr seltsamen Tag hinter sich, was erklärte, warum sie sonderbare Gefühle hatte. Vielleicht waren es die Hormone.
    Eine neckende Brise spielte mit der Narzisse und trug wieder einen Hauch des süßen Dufts hinüber. Noch einmal kurz dran schnuppern. Lina wollte die Blume nur noch einmal riechen, dann würde sie Edith Anne einsammeln und sich ins Bett begeben, wo sie hingehörte. Auf den Zehenspitzen balancierend lehnte sie sich vor und umschloss die schwere Blüte mit den Händen. Als sie ihr Gesicht an die Blume heranführte, kräuselte sich der Grund des glockenförmigen Kelchs.
    Lina blinzelte. Was war das denn? Sie beugte sich noch weiter vor und spähte in die offene Blüte.
    Jegliches Gefühl strömte aus ihrem Körper wie Wasser aus einem Schleusentor. Sie blickte nicht ins Herz einer Narzisse, sondern in das Gesicht einer unglaublich schönen jungen Frau. Ihre großen veilchenblauen Augen waren weit aufgerissen, ihr Haar war zerzaust und ihre lieblichen Lippen geschürzt, als sei sie mitten in einem erschrockenen
Oh!
erstarrt.
    Lina wollte sich bewegen, doch ihr Körper verweigerte sich ihr. Sie war wie festgewachsen, verwandelt in eine lebendige Statue. Angst stieg in ihr auf, das Herz zuckte schmerzhaft in ihrer Brust, und dann kam es ihr vor, als

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