Göttin des Frühlings
Fackeln, die fröhlich flackerten. Unter hohen Decken hingen Lüster – Linas Blick wurde nach oben gezogen – aus geschliffenen Edelsteinen. Die Juwelen fingen die Flammen der Kerzen ein und funkelten wie die Sonne auf dem Wasser. Direkt über ihren Köpfen befand sich ein kaskadenartiges Kunstwerk aus Amethysten. Etwas weiter unten im Saal hing der nächste Kronleuchter, der aus Topas gefertigt zu sein schien. Weiter hinten blitzte der nächste Lüster im puren Grün reiner Smaragde.
»Edelsteine!« Staunend schüttelte Lina den Kopf. »Sind die Lüster wirklich aus Edelsteinen gemacht?«
»Ja. Das sollte dich nicht wundern, Göttin. Findet man die wertvollen Steine nicht tief in der Erde? Ist die Unterwelt nicht das innerste Reich der Erde?« Hades klang belustigt.
»Mir war nicht klar, dass du auch der Gott der Juwelen bist«, stieß Lina aus, immer noch unfähig, ihren Blick von dem wunderbaren Anblick zu lösen.
»Es gibt vieles, das die anderen Unsterblichen nicht über mich wissen«, sagte Hades.
»Herr, vergib mir, dass ich zu spät bin. Ich habe dich am Haupteingang des Palastes erwartet.«
Die fremde Stimme lenkte Lina von den juwelenbehängten Kronleuchtern ab. Ein Mann kam den Gang hinunter auf sie zugeeilt. Er trug ein weißes, togaähnliches Gewand, ähnlich dem von Hades, nur nicht so wallend. Er näherte sich dem Gott und verbeugte sich ehrfürchtig.
»Es ist gut, Iapis. Ich dachte, es würde der Göttin gefallen, den Palast über den Innenhof zu betreten.«
»Gewiss, mein Herr.« Erneut verbeugte er sich vor Hades, dann wandte er sich an Lina: »Göttin Persephone, es ist mir wahrhaft eine Freude, den Frühling in der Unterwelt begrüßen zu dürfen.«
Seine Verbeugung war militärisch zackig, aber sein Lächeln war aufrichtig, und Linas erster Eindruck von ihm war der von einem überkorrekten britischen Butler, so wie ihn Anthony Hopkins in
Was vom Tage übrig blieb
spielte, nur dass dieser Diener eine Toga trug, mehr Haar hatte und tot war. Lina lächelte huldvoll und versuchte, das mit dem Totsein zu ignorieren.
»Danke. Nach den wenigen Eindrücken, die ich bisher von der Unterwelt bekommen habe, bin ich schon sehr beeindruckt.«
»Göttin, das Gepäck, das deine große Mutter geschickt hat, wurde bereits abgeladen und in deinem Zimmer verstaut. Wenn du mir folgst, werde ich dir den Weg zeigen und dafür sorgen, dass du dich einrichten kannst.« Er warf Hades einen kurzen Blick zu. »Wenn es dir recht ist, Herr.«
»Ja, ja«, winkte der Gott ab. »Du kennst dich in diesen Fragen am besten aus, Iapis. Ach, und suche bitte ein Zimmer unweit der Göttin für diesen kleinen Geist. Sie hat beschlossen, an Persephones Seite zu bleiben.«
Iapis nickte feierlich.
Hades wandte sich an Persephone. »Du brauchst Iapis nur zu rufen, wenn du bereit für die Mahlzeit bist, er wird dir den Weg zu mir weisen.« Er senkte leicht den Kopf, machte auf dem Absatz kehrt und schritt rasch davon. Sein Umhang bauschte sich hinter ihm.
Lina merkte, dass sie den Blick nicht von seiner sich entfernenden Gestalt abwenden konnte. Sie schaute ihm nach, bis er um die Ecke verschwand. Das letzte, was sie von ihm sah, war sein Umhang. Batman. Sie konnte nicht anders. Er erinnerte sie wirklich an Batman. Und sie musste zugeben, dass sie sich von Batman immer angezogen gefühlt hatte, besonders als er von dem schüchternen Val Kilmer mit dem Schmollmund gespielt wurde. Er und Hades besaßen derart sinnliche Lippen …
»Göttin?«, fragte Iapis.
»Oh, tut mir leid. Ich bin einfach so fasziniert von dem wunderschönen … ähm … Kronleuchter.« Sie merkte, dass sie Blödsinn redete, konnte aber den Mund nicht halten. »Er ist so ungewöhnlich. Die Schönheit dieses Palastes hat mir den Atem geraubt.«
Iapis neigte den Kopf, dankte für ihr Kompliment und ignorierte, dass ihre Wangen plötzlich rot geworden waren.
»Hades hat die Lüster selbst entworfen.«
»Wirklich?« Jetzt war Lina vollends fasziniert.
Iapis machte ihr Zeichen, ihm durch den langen Korridor zur Rechten voranzugehen. Die Göttin schritt langsam, Eurydike blieb an ihrer Seite. Der Diener erklärte ihr in einem lehrerhaften Ton: »Allerdings. Hades hat den Bau seines Palastes und die Anlage des Parks selbst beaufsichtigt. Kein Detail war zu gering für das Interesse meines Herrn; nichts entging seiner Aufmerksamkeit. Er hat das Auge eines Künstlers für Farben und Flächen, und er hat ein gutes Gespür für Gestaltung. Der Palast des
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