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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast
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geschnitten. Überall blühten Blumen. Lina erkannte viele: Orchideen, Lilien, Rosen und natürlich die allgegenwärtige Narzisse, dazu verschiedene Pflanzen, die ihr völlig unbekannt waren, doch eines hatten sie alle gemeinsam.
    »Alle Blumen sind weiß«, bemerkte Lina.
    Nicht dass alle gleich ausgesehen hätten. Bis zu dem Zeitpunkt war ihr nicht klar gewesen, wie viele verschiedene Schattierungen von Weiß es gab. Sie alle leuchteten vor ihr – vom strahlend reinen Weiß frischen Schnees bis zum feinen Schillern von Perlmutt –, jede Blume mit ihrem einzigartigen Pigmentbereich am hellsten Ende der Farbskala.
    »Weiß ist die Farbe der Unterwelt«, erklärte Hades. »Es steht für die Reinheit des Todes.«
    »Ich dachte, deine Farbe sei Schwarz.«
    »Ist es auch. Jedes schwarze Tier leistet mir Gefolgschaft. Die Schatten und die Schwärze der Nacht wurden in meinem Reich geboren, ebenso das Schwarz des kleinen Todes, den man auch Schlaf nennt. Weiß und schwarz – die perfektesten Farben. Beide gehören zur Unterwelt.«
    »Weiß für die Reinheit des Todes. Wenn du es so erklärst, leuchtet es mir völlig ein, obwohl ich die Farbe Weiß bis jetzt nicht in Verbindung gebracht hätte mit der Hö...« – Lina riss sich zusammen und räusperte sich vorsichtig, als hätte sie ein Kratzen im Hals – »mit der Unterwelt.«
    Zufrieden lenkte Hades den Streitwagen über den Abschnitt des Weges, der von der Hauptstraße abzweigte. Er führte hinten um den Palast herum zu einem langen, schmalen Gebäude aus demselben schwarzen Marmor, offensichtlich ein luxuriöser Stall. Davor blieben sie stehen, und vier geisterhafte Männer traten aus dem Gebäude, sämtlich in schwarze Livrees gekleidet, die mit denselben silbernen Symbolen geschmückt waren wie die Flaggen. Jeder von ihnen kümmerte sich um einen Hengst.
    »Behandelt sie gut«, befahl Hades den geisterhaften Männern, während er Lina und Eurydike vom Streitwagen half und ihnen Zeichen machte, ihm zum Palast vorauszugehen. »Sie hatten einen« – er hielt inne und sah Lina mit erhobenen dunklen Augenbrauen an – »ungewöhnlichen Tag.«
    Lina blinzelte, verwundert über seinen neckischen Tonfall. Dann sagte sie demonstrativ laut, damit die Stallburschen es hören konnten: »Also, die haben mir wirklich Angst eingejagt. Junge, man nennt sie nicht umsonst die Streitrösser des Hades!« Sie stieß Eurydike an. »Stimmt’s?«
    Das Mädchen unterdrückte ein Lächeln und nickte eifrig. »Ja, meine Göttin.«
    Hades schnaubte verächtlich.
    Eines der Streitrösser wieherte Lina leise wie ein Hengstfohlen zu, so dass ein Stallbursche der Göttin einen fragenden Blick zuwarf. Sie tarnte ihr Lachen mit einem Husten und beeilte sich zu verschwinden, damit die Streitrösser sie nicht noch mehr in Verlegenheit brachten.

9
    »Von innen ist es sogar noch schöner«, sagte Lina. Sie war so fasziniert, dass sie gar nicht aufhören konnte zu staunen.
    Sie betraten den Palast durch den Hintereingang, passierten ein kunstvoll gearbeitetes schmiedeeisernes Tor und durchquerten dann eine gewaltige Halle, die zu einem eindrucksvollen Innenhof führte, der offenbar in der Mitte des Palastes lag. Im Zentrum des Hofes befand sich ein gewaltiger Brunnen, ebenso eindrucksvoll wie die Fontana di Trevi in Rom, nur dass der in einem Streitwagen aus dem Wasser aufsteigende Gott nicht Neptun war, sondern Hades in seinem dunklen Glanz, selbstverständlich gezogen von seinen berühmten Streitrössern. Weiße Blumen wuchsen in kleinen Teppichen um Marmorbänke – die allgegenwärtige Narzisse ebenso wie zarte Blüten, die Lina nicht kannte.
    »Was ist das für eine Blume?«, fragte sie den Gott.
    »Eine Affodill«, sagte er und sah sie fragend an. »Es wundert mich, dass du das nicht weißt, Persephone.«
    Ups. Lina mied seinen aufmerksamen Blick, indem sie sich bückte und so tat, als musterte sie die kleine Pflanze. Die Göttin des Frühlings sollte ihre Blumen eigentlich kennen.
    Sie lachte nervös. »Ja, sicher, jetzt erkenne ich sie. Das muss an diesem ungewöhnlichen Licht liegen, dass sie mir so fremd vorkommt.« Sie streckte einen Arm aus, so dass das weiche Licht auf die alabasterfarbene Haut von Persephone fiel. »Es ist so anders als Sonnenlicht. Es lässt alles irgendwie verändert wirken, selbst die Dinge, die einem vertraut sind.« Sie lächelte angesichts der Ironie ihrer Anspielung, denn der Arm, den sie ausstreckte, war ihr alles andere als vertraut.
    »Das Licht in

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