Göttin des Frühlings
spritzte mit solcher Wucht aus der Blüte, dass Lina überrascht quietschte, als er in ihre Hand flog und sich zu einer klebrigen Masse verteilte.
Der tiefe Bass von Hades’ Lachen durchzog den hellen, trillernden Jubel der zuschauenden Leimoniaden. Lina sah sich über die Schulter zum Gott der Unterwelt um. Seine Augen funkelten sie an. Sie warf ihr langes Haar nach hinten und schenkte ihm einen kecken Blick. Dann kam ihr ein Gedanke … Sie fühlte sich sexy und unglaublich verführerisch. Mit einem kessen Lächeln fing sie seinen Blick auf. Sie hob eine Augenbraue und leckte mit ihrer rosa Zunge langsam einen Tropfen des süßen, sirupartigen Nektars von ihrem Mittelfinger. Die Leimoniaden reagierten mit anerkennendem Gurren und Trillern, während Hades mit offenem Mund erstarrte.
»Vorsichtig, Göttin, vorsichtig«,
schnurrten die Nymphen.
»Der Nektar möchte eh zu dir. Du musst ihn nur locken, nicht ihm befehlen. Er ist kein Gott …«
Ohne auf Hades’ Reaktion auf die Worte der Nymphen zu achten, unterdrückte Lina ein Lächeln und drehte sich wieder zu den Tulpen um. Mit der Spitze eines schlanken Fingers kitzelte sie die nächste Blüte und schickte ihr den sanften Gedanken, sie würde sich wirklich freuen, wenn der Nektar zu ihr käme.
Eine goldene Perle löste sich aus der Blüte und ruhte auf der Spitze ihres ausgestreckten Fingers. Lina lächelte sie triumphierend an.
»Sammle, Göttin, komm zum Sammeln!«
Immer noch lächelnd, schaute Lina sich um. Alle Nymphen hüpften von Blüte zu Blüte, lockten den Nektar heraus und sammelten die leuchtend goldenen Tropfen ein.
Gut, dachte Lina. Das konnte sie auch. Und so begann sie, ihren eigenen Vorrat zu sammeln. Ohne innezuhalten, ohne nachzudenken, zu überlegen oder zu hinterfragen, benutzte Lina Persephones perfekte Stimme und summte im Einklang mit den Blumengeistern, und als sie in das Lied der Leimoniaden einfiel, schienen Hades’ Gärten tief Luft zu holen und dann in herrlichste Blüte auszubrechen. Jede Blume öffnete sich. Jeder Kelch ließ goldene Nektartropfen fallen, die unbedingt geerntet werden wollten.
Und mittendrin strahlte Lina.
Hades konnte den Blick nicht von ihr abwenden. In seiner gesamten Existenz hatte er niemals etwas so sehr begehrt wie Persephone. Er verzehrte sich nach ihr, und der Gedanke ließ seine unsterbliche Seele erschaudern.
Was würde geschehen, wenn sie ging? Denn das würde sie tun, rief er sich in Erinnerung. Sie war die Göttin des Frühlings. Sie gehörte zur Welt dort oben. Er war der dunkle Gott der Unterwelt, der von allen Lebenden verachtet wurde.
Von allen, nur nicht von Persephone. Doch wie lange noch?
Der Schmerz in ihm begann zu bohren und eine eigene Gestalt anzunehmen. Der Gott gab ihm einen Namen, verstand nun endlich, was es war, das ihm diese unendlichen Qualen bereitete und Persephone zusammen mit seiner Hoffnung erweckt hatte.
Einsamkeit.
Hades biss die Zähne aufeinander, um den Aufruhr in sich zu ertragen, und wandte sich vom Anblick der lieblichen jungen Göttin ab, die fröhlich mit den Geistern seines Reichs umhertollte.
Er stieß mit Eurydike zusammen. Hades unterdrückte ein frustriertes Stöhnen, fing den kleinen Geist auf und bewahrte ihn vor dem Sturz. Er zwang sein starres Gesicht zu einer Art Lächeln. »Ich habe nicht aufgepasst, Kind.« Er wählte einen anderen Weg, doch Eurydikes Stimme ließ ihn innehalten.
»Aber du gehst doch nicht etwa? Was soll ich denn Persephone sagen?«, fragte sie mit ihrer süßen, schüchternen Stimme.
»Sag ihr«, er knirschte mit den Zähnen, »dass ich mich um die Geschäfte meines Reiches kümmern muss.« Eurydikes Augen waren groß und rund. Sie schienen ihm tief in die Seele zu blicken. Ihre Enttäuschung war spürbar, ebenso ihre Sorge um die Göttin. Hades fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Und sag deiner Göttin, ich wünsche mir, am morgigen Tag mit ihr auszureiten.«
Eurydikes Gesicht wurde von einem Lächeln erleuchtet. »Das wird Persephone sehr gefallen.«
Wird es ihr so sehr gefallen, dass sie bei mir bleibt?,
wollte der Gott verzweifelt rufen. Stattdessen breitete er den vertrauten Mantel der Strenge über seine Züge und achtete darauf, dass seine Stimme frei von Gefühlen war.
»Ich werde Iapis nach Tagesanbruch zu ihr schicken, dass er sie zu den Stallungen begleitet.«
»Ja, Herr.«
Hades schritt davon, leise über Göttinnen und junge Mädchen schimpfend.
Kaum war er außer Sicht, tauchte Iapis neben Eurydike
Weitere Kostenlose Bücher