Göttin des Frühlings
auf. Sie warf dem Daimon einen kurzen Blick zu, der kein Staunen über sein plötzliches Erscheinen verriet.
»Wie geht es?«, fragte Iapis.
»Ich bin zufrieden«, sagte Eurydike und klang weiser, als sie war.
»Glaubst du, er hat meinen Rat angenommen und sie wie eine der Toten behandelt?«
»Nicht sehr lange«, sagte Eurydike kryptisch und musste an das rote Gesicht ihrer Göttin und an das Glühen denken, mit dem Hades’ Blick ihr gefolgt war. »Nicht sehr lange …«
Der Daimon lächelte und nahm die Hand des kleinen Geistes in seine. Er führte sie an seine Lippen und küsste sie sanft. Eurydikes blasse Wangen liefen rosa an, doch ihre großen Augen betrachteten ihn ruhig. Sie erwiderte sein Lächeln.
17
»Auf Wiedersehen! Vielen Dank!« Lina winkte den Leimoniaden nach, als die glühenden Geister in der Ferne entschwanden und die glänzend goldenen Nektartropfen mitnahmen. Ihr melodisches Singen zum Abschied wurde vom Wind herangetragen.
»Das war wundervoll anzusehen, Persephone.« Eurydike lächelte breit, als Lina sich am Rand des Parks wieder zu ihr gesellte.
»Ich freue mich so, dass sie mich gerufen haben. Das war eine unglaubliche Erfahrung«, stieß Lina aus. Sie fühlte sich aufgedreht und gestärkt, als hätte sie zum Frühstück zu viele Cappuccinos getrunken. »Ach, Eurydike, diese Welt ist unvorstellbar.« Lächelnd legte sie einen Arm um den Geist und drückte ihn an sich. Dann sah sich die Göttin um. »Ist Hades schon weg?«, fragte sie bemüht beiläufig.
»Er musste sich um die Geschäftsangelegenheiten seines Reiches kümmern. Aber«, fügte sie schnell hinzu, als das strahlende Gesicht der Göttin trüber wurde, »er hat mir aufgetragen, dich morgen früh um deine Anwesenheit in den Stallungen zu bitten.«
»Um Orion zu reiten.« Linas Lächeln wurde stärker beim Gedanken an den schwarzen Hengst. Auf den morgendlichen Ausritt freute sie sich – fast ebenso wie auf die erneute Begegnung mit Hades. Ihre Gedanken überschlugen sich, Bilder purzelten durcheinander: der schweißüberzogene Körper des Gottes, die sinnliche Melodie der Leimoniaden und das Feuer von Hades’ Lippen auf ihren. Linas geborgter junger Körper kribbelte.
»Dieses Pferd macht mir Angst«, sagte Eurydike.
Lina blinzelte und richtet den Blick wieder auf das blasse Gesicht des Geistes.
Merda!
Sie durfte sich nicht erlauben, in Gedanken abzuschweifen.
»Vor dem muss man keine Angst haben. Ehrlich nicht, in meinen Händen ist es wie ein kleines Kätzchen«, sagte Lina fröhlich und versuchte, nicht an Orions Herrn zu denken, der sich unter ihren Händen ganz anders als ein Kätzchen angefühlt hatte.
»Ich halte mich am besten einfach von ihm fern«, meinte Eurydike.
Lina sagte sich, dass sie diese Einstellung wahrscheinlich auch gegenüber Hades einnehmen sollte. Er war zu gefährlich. Sie sollte sich einfach von ihm fernhalten. Doch das tiefe Ziehen in ihrem Körper sagte ihr, dass sie es nicht tun würde.
Sie musste Hades aus dem Kopf bekommen.
»He, wie wäre es, wenn wir etwas zu trinken für mich suchen?« Lina sah Eurydike mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Dieses ganze Nektarsammeln hat mir Durst auf Ambrosia gemacht.«
»Und es hat dich klebrig gemacht«, fügte Eurydike hinzu.
Lina schaute an sich hinunter. Über ihren gesamten Körper waren glänzende goldene Flecken wie Tautropfen verteilt. Sie betupfte einen mit dem Finger und steckte ihn in den Mund. Er schmeckte nach einer Mischung aus Zuckerrohr, Honig und noch etwas anderem, ähnlich wie Karamell oder vielleicht Toffee. Der Tropfen war unglaublich lecker. Aber Eurydike hatte recht, sie war völlig schmutzig. Und sie würde mit Sicherheit nicht darüber nachdenken, wie es wäre, wenn Hades die süßen Tropfen von ihrem Körper ablecken würde.
»Ich brauche eine Dusche. Eine kalte«, murmelte sie.
»Du willst dich in den kalten Regen stellen?«
Lina lachte. »Nicht so ganz. Eine kalte Dusche ist nicht immer ein Regenguss von oben. Es ist so etwas Ähnliches wie Baden, nur dass man dabei steht und das Wasser von oben gegossen wird.«
»Ah, das hört sich an wie das Baderitual meiner Mutter, auch wenn sie das Wasser nicht gerne kalt hatte«, sagte Eurydike.
Überrascht fragte Lina: »Wirklich? Was hatte deine Mutter denn für ein Baderitual?«
Das Mädchen grinste schelmisch. »Ich könnte es dir zeigen. Damit würden wir den Nektar wahrscheinlich besser von dir abbekommen.« Sie tupfte auf einen Tropfen, der einen langen,
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